Wo steht die Schweiz beim Energy Challenge 2050?
Go green. Der Klimawandel ist eine nicht zu verleugnende Realität, die Tausende von Menschen auf der ganzen Welt mobilisiert. Wo steht die Schweiz in der Energiewende und welche Initiativen werden insbesondere im Industriesektor ergriffen, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen?
(Quelle Priscilla Du Preez – Unsplash)
Der Klimawandel schreitet nach wie vor ungebremst voran. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) berichtet eine von Menschen verursachte Erwärmung von einem Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau im Jahre 2017 und analysiert die Wirkungen der vergangenen und voraussichtlichen Treibhausgas-Emissionen in verschiedenen Szenarien.
Beobachteter Temperaturanstieg führt zu Handlungsbedarf
Schon heute kann eine Zunahme von Dürren, Hitzewellen, Starkniederschlägen und steigender Versauerung der Meere beobachtet werden, wobei weitere noch schwerwiegendere Folgen mit wachsender Erderwärmung nicht ausgeschlossen werden können. Obwohl das Klimaübereinkommen von Paris darauf abzielt, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, legen die Ergebnisse des IPCC nahe, dass eine Begrenzung des maximalen Anstiegs auf 1,5 Grad Celsius vorzuziehen ist. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn Netto-Null-Emissionen bis 2050 erzielt wird. Die Energiestrategie 2050 trägt zu diesen Zielen bei, da ca. drei Viertel der Emissionen in der Schweiz auf den Verbrauch von fossilen Brennstoffen zurückzuführen sind und rund 50 Prozent des Energiebedarfs mit Erdölprodukten befriedigt wird.
Analyse der Auswirkungen der Corona-Krise steht noch aus
Die aktuelle Corona-Krise und die resultierenden Massnahmen stellen eine einmalige Möglichkeit dar, die Auswirkungen von verringerter industrieller Produktion und Verkehr auf das Klima zu analysieren. So berichtet Nature Climate Change im Mai 2020, dass eine Senkung der täglichen CO2-Emissionen im ersten Quartal 2020 beobachtet wurde, was von einem reduzierten Energiebedarf und einem geringeren Transportaufkommen bewirkt wurde. Die weltweite Nachfrage nach Kohle und Öl war am stärksten betroffen, wobei die erneuerbaren Energien die einzigen Energiequellen waren, die ein Nachfragewachstum verzeichneten, so die Internationale Energieagentur (IEA). Im April 2020 waren die täglichen globalen CO2-Emissionen um 17 % niedriger als im Vorjahr und die prognostizierte Senkung für das ganze Jahr 2020 liegt vermutlich zwischen 4 % und 7 %, abhängig davon, wie die Lockerungen in unterschiedlichen Regionen der Welt aussehen werden. 43 % des Rückgangs der Emissionen lassen sich mit der starken Abnahme des Landverkehrs erklären und die Industrie ist für 25 % des Rückgangs verantwortlich. Diese Situation spiegelt aber Variationen wider, die nicht mit langfristigen Veränderungen des Emissionsmusters verbunden sind. Sie geben jedoch quantitative Hinweise auf die Wirksamkeit von Massnahmen, wie beispielsweise vermehrte Nutzung des Home-Office, und können für die Bewertung zukünftiger Strategien nach der Pandemie verwendet werden.
Energiestrategie 2050: Wo steht die Schweiz?
Die Schweiz strebt mit der Energiestrategie 2050 eine Steigerung der Energieeffizienz, den Ausbau der erneuerbaren Energie sowie den Ausstieg aus der Kernenergie an. Dies führte zu einem neuen Energiegesetz, welches 2018 in Kraft trat. In der Tabelle sind die Richtwerte gegenüber 2000 für die Abnahme des Energie- und Stromverbrauchs pro Kopf und Jahr aufgelistet. Das Bundesamt für Energie (BFE) informierte 2019 über die Ergebnisse des Monitorings im Hinblick auf die Daten von 2018 und berichtete, dass die Ziele für 2020 in diesen Bereichen bereits erreicht wurden. Dies ist laut BFE auf politische Massnahmen sowie technologische Fortschritte zurückzuführen.
Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien nimmt seit 2010 stetig zu. Photovoltaikanlagen machen 50 % der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen aus und zeigen den grössten Zuwachs. Bereits 83 % der 2020 Richtwerte wurden 2018 erreicht, was einem Nettozuwachs von rund 260 GWh pro Jahr für 2019 und 2020 entspricht. Eine deutlich höhere Zunahme von 443 GWh pro Jahr ist jedoch notwendig, um die Ziele für 2035 zu erreichen. Ein Ausbau der Stromproduktion aus Wasserkraftwerken ist ebenfalls geplant, obwohl es gemäss einer neuen Studie des BFE von 2019 noch ungewiss ist, ob das Ziel für 2050 erreicht werden kann. Jedoch scheint der Richtwert für 2035 realisierbar und 31% davon wurden bereits im Jahre 2018 verwirklicht.
2018 stammte 50 % des Energieverbrauchs aus Erdöltreib- und Brennstoffen, was eine leichte Reduktion um 10 % seit dem Jahr 2000 entspricht. Verkehr und Industrie machen 38 % bzw. 18 % des Endverbrauchs aus. Die CO2-Emissionen pro Person nehmen seit 2000 ab und betragen in 2017 rund 4 Tonnen (-26 %). Der Verkehr ist für die meisten Emissionen verantwortlich, gefolgt von Industrie und Haushalten (je 23 %). Die Emissionen im Bereich Industrie sind mehrheitlich auf die Produktion zurückzufuhren und nur zu einem geringen Anteil auf die Geschäftsgebäude.
Massnahmen und Initiativen
Zahlreiche Massnahme und Initiativen zur Erreichung der Ziele für 2050 sind in der Schweiz auf verschiedenen Ebenen in Bearbeitung. Das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen unterstützt zum Beispiel die Verbesserung der Energieeffizienz und die Senkung des CO2-Austosses für Wohn- sowie Geschäftsgebäude. Die öffentlichen Mittel für die Energieforschung haben sich seit 2010 verdoppelt und beliefen sich in 2017 auf zirka 400 Millionen CHF. 43 % der Mittel wurden für das Forschungsgebiet effiziente Energienutzung und 35 % wurden im Bereich erneuerbare Energie verwendet. Im Bereich industrielle Produktion schätzt EnergieSchweiz, ein Programm des Bundesamts für Energie, dass bei Produktionsmaschinen in den nächsten 10 Jahren eine Verbesserung von 25 % der Energieeffizienz möglich ist. Um diesen Wandel zu ermöglichen, bietet EnergieSchweiz eine Pinch-Analyse der Produktionsprozesse, die nach einer Abbildung aller Wärmeströme das Potenzial für die Wärmerückgewinnung entdeckt und geeignete Massnahmen vorschlägt, wobei hierbei auch Amortisationszeit und Kosten mitberücksichtigt werden. Das BFE unterstützt bis zu 60 % die ersten Grobanalysen und bis zu 40 % der Gesamtkosten der Pinch-Analyse. Die Firmen Le Patron und Metal Paint gehören zu den Erfolgsgeschichten dieses Programms. Le Patron arbeitet im Bereich Lebensmittelherstellung und konnte durch die Pinch-Analyse den Wasserbedarf sowie die Wärmeströme optimieren, was die Energiekosten um 25 % reduziert hat. Die Investition für die Implementierung der Massnahmen konnte in zwei Jahren amortisiert werden. Im Bereich Metallveredelung konnte die Firma Metal Paint ebenfalls durch die Nutzung von Restwärme in der Produktion ein grosses Sparpotenzial und somit eine Reduktion des CO2-Ausstosses erreichen. Die Senkung um 55 % des Energieverbrauches entspricht einer jährlichen Einsparung von 520 000 Franken. Auch in diesem Fall beträgt die Amortisationsdauer zwei Jahre.
Absicht: Die Klimastrategie 2015 und die Totalrevision des CO2-Gesetzes
Laut IPCC ist es nur mit einer Netto-Null-Emission bis 2050 möglich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die CO2-Neutralität soll durch die Senkung des Ausstosses und den sogenannten Negative-Emissionen-Technologien erreicht werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Regierungen zu einer stärkeren als der im Klimaübereinkommen von Paris vorgesehenen Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichten. Insbesondere die Massnahmen nach der Pandemie werden einen grossen Einfluss auf künftige Emissionen haben. Neben der Energiestrategie beschloss der Bundesrat im Jahr 2019, die CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen. Dazu sind eine Totalrevision des CO2-Gesetzes sowie die Erfassung einer langfristigen Klimastrategie vorgesehen, was ein wichtiger Schritt zur Begrenzung des Klimawandels ist. Jeder von uns trägt zusätzlich die Verantwortung, das private sowie geschäftliche Verbrauchmuster zu verbessern und Massnahmen zu ergreifen. Nur auf diese Weise ist es möglich, eine nachhaltige Wirtschaft aufzubauen – eine Voraussetzung dafür, dass künftige Generationen auch eine prosperierende Ökonomie haben.
(Erstpublikation in der «Unternehmerzeitung, 7/2020»)