09.11.2022

Warteschlaufen sind nicht nur Geduldsproben

Wir kennen es alle: Warteschlaufen sind einfach nur ärgerlich. Wirklich? In der SRF1-Radiosendung «Treffpunkt» war Daniel A. Crucius zu Gast, der seine EMBA-Master-Thesis an der FFHS zum Thema «Sprachdialogsysteme und deren Wirkung auf Anrufende» verfasst hat und erklärt Überraschendes.

Als Experte, der schon seit zehn Jahren bei Victura – einem Unternehmen, das Telefonansagen produziert und verkauft – arbeitet, gab Crucius viele spannende Einblicke rund um dieses Thema. Er schloss seinen EMBA-Master als Jahrgangsbester 2022 an der FFHS ab und hat in seiner Masterarbeit untersucht, welchen Einfluss die Schaltung von sogenannten «Menü-Dialog-Systemen» auf den Stresslevel, den Verärgerungsgrad sowie die Kundenzufriedenheit der Anrufenden eines Unternehmens haben. Mittels Hörbeispielen wurden zwei Probandengruppen in die Rolle von Anrufenden in einem Call Center versetzt. In einem Szenario wurde eine erste Gruppe direkt zur richtigen Abteilung verbunden, während die andere Gruppe im Szenario 2 via Tastenwahl eines automatischen Systems zur entsprechenden Ansprechperson geführt werden sollte.

«Bitte gedulden Sie sich noch einen Moment»

Nun mag man vermuten, dass die Personen der zweiten Gruppe eindeutig gestresster und verärgerter reagieren als diejenigen, der direkt verbundenen Leute. Denn wer kennt es nicht? Man hat eine bestimmte Frage zu einem Produkt, möchte lediglich eine kurze Auskunft zu einer Dienstleistung und will einfach, unkompliziert und rasch Antwort erhalten. «Rasch» gelangt man dabei aber höchstens in eine vertröstende Warteschlaufe, die darauf aufmerksam macht, sich doch bitte noch einen Moment zu gedulden, da – gefühlt immer – aktuell alle Mitarbeitenden besetzt sind. Vielerorts wird man zunächst auch noch durchgefragt, weswegen man eigentlich anrufe: «Haben Sie eine Frage zur Produktbestellung? Dann wählen Sie bitte die 1. Haben Sie eine Frage zu Ihrer Rechnung? Dann wählen Sie bitte die 2.» Und so weiter. Solche Menüführungen, repetitive Durchhalteparolen und zusätzlich mehr oder wenig abwechslungsreiche Musik sollten die Wartezeit eigentlich verkürzen. Nicht selten aber wird der Telefonhörer entnervt wieder abgehängt, bevor überhaupt jemand den Anruf entgegennehmen kann.

«Gerne nehmen wir Ihren Anruf in Kürze entgegen»

Entgegen dieser allgemeinen und alltäglichen Empfindung konnte Crucius allerdings nachweisen, dass die Schaltung von Interactive Voice Response Systemen keinen Einfluss auf den Stresslevel oder den Verärgerungsgrad der Anrufenden hat. Im Gegenteil, er fand heraus, dass sie einen positiven Effekt auf die Kundenzufriedenheit hat. Auch wenn diese resümierte Erkenntnis und die zugrundeliegende Arbeit noch weiterer Studien bedarf, um konkrete Kausalitäten zwischen den automatischen Sprachsystemen und der Gemütszustände der Anrufenden zu untersuchen, überrascht sie eindeutig. Wer weiss, ob sie auch dazu beitragen kann, dass wir beim nächsten Anruf, die automatisch geführte Bedürfnisabfrage gelassener durchspielen oder der abgespielten Musik entspannter lauschen können. Gewiss ist zumindest, dass am anderen Ende irgendwann immer jemand versucht, sich unseren Anliegen anzunehmen und auch davon ausgehen darf, dass nicht wir uns als missmutige Geduldsproben aufführen.

Hier können Sie die vollständige SRF1-Radiosendung «Treffpunkt» vom 8. November mit Daniel A. Crucius hören.

Daniel A. Crucius hat an der FFHS seine EMBA-Master-Thesis mit dem Titel «Interactive Voice Response Systeme (IVR-Systeme) und deren Wirkung auf Anrufende in Inbound Centern» verfasst und als Jahrgangsbester 2022 seinen Abschluss gemacht. In der SRF1-Radiosendung «Treffpunkt» vom 8. November war er als Experte eingeladen und gab spannende Einblicke rund ums Thema sowie seine Tätigkeit und Erfahrungen beim Unternehmen Victura, das unter anderem Telefonansagen produziert.