CHRISTIAN KOCH 04.03.2021

Frauen in «MINT»-Berufen – drei Erfolgsgeschichten

Der 4. März ist der Tag der Ingenieurinnen und Ingenieure. An dieser Stelle geben wir drei Frauen aus dem Umfeld der FFHS eine Stimme. Sie alle haben sich einen erfolgreichen Weg in einen technisch-naturwissenschaftlichen Beruf gebahnt.

Seit jeher ist zu lesen, dass Frauen in den MINT-Berufen, bestehend aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, in der starken Minderheit sind und nur schwer für diese Disziplinen zu begeistern sind. So waren im Jahr 2018 nur etwa rund 15% der Beschäftigten in diesen Berufen weiblich, wie die Zahlen der Agentur für Arbeit belegen. Trotz intensiver Massnahmen zur Förderungen und Vernetzung der Frauen in diesen Sektoren benötigt es weiterhin viele Anstrengungen, um das weibliche Potential in der Schweiz besser auszuschöpfen. Initiativen wie der Nationale Pakt für Frauen in MINT-Berufen, welcher mehr als 100 Unternehmen mit dem Ziel vereint, Frauen für MINT-Fächer zu begeistern und von Tätigkeiten in naturwissenschaftlich-technischen Berufsfeldern zu überzeugen, sind dabei Leuchttürme mit einer starken Strahlkraft für Unternehmen. Auch die im Jahre 1991 ins Leben gerufene Schweizerische Vereinigung der Ingenieurinnen (SVIN) trägt dazu bei, den Frauen eine stärkere Wahrnehmung zu verschaffen und den Ingenieurinnen in der Wirtschaft und Politik eine Stimme zu geben, um ihre Rahmenbedingungen im beruflichen Alltag zu verbessern.

In diesem Beitrag zeigen Dr. Stephanie Baumgartner Perren, Prof. Dr. Beatrice Paoli und Sabine Vargas Geser ihre bisherigen Lebenswege auf. Ihnen ist es trotz teilweise herausfordernder Umstände gelungen, ihre Ziele zu verfolgen, und durch ihre Fähigkeiten und ihrem starken Willen einen erfolgreichen beruflichen MINT-Weg im Einklang mit ihrem Familienleben zu gehen.

Dr. Stephanie Baumgartner Perren

Dr. Stephanie Baumgartner Perren, welche an unserer Institution sowohl als Studiengangsleiterin als auch als Dozentin im Bereich Ernährung und Diätetik bekannt ist, möchten wir an dieser Stelle vorstellen. Nach einem erfüllten Berufsleben im Zeichen der gesunden Ernährung trat sie vor kurzem ihren verdienten Ruhestand an, verfolgt aber ihre Lehrtätigkeiten an der FFHS weiter.

Bereits in den 70er und 80er Jahren erwarb sie ihr fachliches Grundgerüst im naturwissenschaftlichen Bereich; auf das Studium der Chemie folgte ein Nachdiplom in Bio-Medizin und schliesslich das Doktorat in Lebensmittelwissenschaften.

Sonderstellung im Studienalltag

«Als Frauen fielen wir auf», erinnert sich Stephanie Baumgartner an die Zeiten zurück, in welchen sie im Chemiestudium zusammen mit zwei weiteren Frauen unter 60 männlichen Kommilitonen die Schulbank drückte. Dem glücklichen Umstand geschuldet aus einem emanzipierten Familienumfeld zu entstammen, welches in Punkto Berufswahl und Lebensgestaltung den Mädchen dieselben Möglichkeiten wie den Jungen zugestand, irritierte sie die Sonderstellung im Studienalltag. Sie liess sich aber nicht vom Weg abbringen, und so formte sich im Laufe der Zeit für Stephanie eine Karriere, auf welche sie heute zufrieden und mit Stolz zurückblickt.

Der Reiz, welcher anfänglich die Chemie für sie ausmachte, wurde im Laufe der Zeit vom Interesse an der Wechselwirkung von Naturstoffen mit dem Körper abgelöst. Da es während ihrer Studienzeit in der Schweiz noch keine expliziten Ausbildungsangebote in Biochemie oder den Ernährungswissenschaften gab, eignete sie sich das Fachwissen mit einer eigenen Auswahl an Vorlesungen in Toxikologie, Genetik, Ernährungslehre und Lebensmittelwissenschaften an. Heute gibt es diese Ausbildung auch in der Schweiz: Als einzige Hochschule bietet die FFHS zu Stephanies grosser Freude einen Bachelorstudiengang Ernährung und Gesundheit an.

Als Ernährungswissenschaftlerin angekommen

Fachlich angekommen fühlte sich Stephanie schliesslich, als sie den Schritt über den grossen Teich in die USA nach Minnesota wagte, um ihr Post-Doc-Studium in Ernährung und Public Health zu absolvieren. Zurück in der Schweiz, halfen ihr Eigenschaften wie Hartnäckigkeit und Durchsetzungskraft, welche sie bereits während des Studiums auf Kurs gehalten haben, eine Stelle beim Detailhändler Coop zu erhalten. Mit der Aufgabe betraut, die Ernährungsberatung in einem Grosskonzern von der Wiege auf zu entwickeln und zu gestalten, fand sie die erste grosse und erfüllende Herausforderung in ihrem Berufsleben. Es folgten weitere berufliche Stationen im Zeichen der «gesunden Ernährung» in ehrenamtlichen Funktionen, bei einem Lebensmittelhersteller und in der eigenen Firma.

Die berufliche Etablierung und die Familienplanung in Einklang zu bringen war eine weitere Herausforderung auf ihrem Lebensweg. Bedauerlicherweise waren in dieser Zeit von den Arbeitgebern noch Vorbehalte gegenüber Teilzeitpensen in Positionen mit Führungsaufgaben vorhanden, was sich erst in den letzten Jahren verbessert hat. «Damit eine Frau berufliche Ziele und Mutterschaft verwirklichen kann, sollten die Rahmenbedingen mit dem Partner im Voraus klar besprochen sein und nicht auf Annahmen beruhen», stellt Stephanie klar. Missverständnisse im Bereich der Rollenverteilung führen oftmals zum Karriereknick bei den Frauen, und ein Wiedereinstieg vor allem in Berufsumfeldern, welche von schnellen Veränderungen geprägt sind, ist oftmals schwierig.

««Damit eine Frau berufliche Ziele und Mutterschaft verwirklichen kann, sollten die Rahmenbedingen mit dem Partner im Voraus klar besprochen sein und nicht auf Annahmen beruhen.»»

Der jungen Generation an Frauen, welche den Einstieg in eine naturwissenschaftliche Disziplin in Erwägung ziehen, möchte Stephanie auf den Weg geben, sich nicht von Vorurteilen abschrecken zu lassen, und an ihrem anvisierten Weg festzuhalten. Mann und Frau verbringen einen Grossteil ihrer Zeit im Beruf und sollten daher diese Zeit auch für Aufgabengebiete nutzen, die sie glücklich machen. Zudem lohnt es sich, sich neben dem Beruf auch in der Partnerschaft und in der Gesellschaft für Herzensangelegenheiten stark zu machen, z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit. Denn diese sollten sich nicht ausschliessen.

««Frauen sollen sich nicht von Vorurteilen abschrecken lassen»»

Prof. Dr. Beatrice Paoli

Als Leiterin des Laboratory for Web Science (LWS) und Professorin für angewandte Data Science und Digitalisierung möchten wir an dieser Stelle Prof. Dr. Beatrice Paoli vor den Vorhang holen. Beatrice ist bereits seit zehn Jahren an der FFHS engagiert und hat das Institut, welches sie heute leitet, von Beginn an mit aufgebaut. Das LWS betreibt anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung im Bereich Data Science und bietet fachspezifische Dienstleistungen an.

Interesse an Mathematik

Die Grundsteine für ihren Weg hat Beatrice bereits bewusst oder unbewusst in jungen Jahren gesetzt. Sie erinnert sich gerne an die Zeit im Gymnasium zurück, in welcher sie zusammen mit ihrem Vater, welcher Mathematiker war, die Hausaufgaben zusammen gelöst hat. Daraus entwickelte sie mit der Zeit ein Interesse an den MINT-Fächern. Da Mathematik jedoch für sie als experimentierfreudige Frau zu theoretisch wurde, stand nach dem Gymnasium die Entscheidung zwischen einem Chemie- und Physikstudium an. Obwohl ein Studium der Physik für sie als Frau von vielen Seiten mit Vorurteilen behaftet war, hiess es für Beatrice «Challenge ACCEPTED». Während ihres Physikstudiums in Rom bestand die Studentenschaft aus etwa 20 bis 30 Prozent Frauen und in der Lehre beteiligten sich lediglich zwei Professorinnen in einem von Männern dominierten Kollegium. Mit einem Master of Science in Physik in der Tasche, zog Beatrice nach Zürich, um in Computerbiochemie zu doktorieren. Doch auch dort konnte nicht von gelebter Diversität gesprochen werden, da von 15 Doktoranden lediglich zwei weiblich waren. Eine Situation die leider heute noch immer in ähnlicher Weise vorherrscht.

Heute fokussiert sie sich mit ihrem Team durch eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie sowie nationalen und internationalen Forschungspartnern, um Innovations- und Technologietransfer zu ermöglichen. Dabei geht es bei ihr weniger um die eigentliche Facharbeit, vermehrt kümmert sie sich um Führungsaufgaben sowie der Akquise von neuen Projekten. Da auch die Fachbereichsleitung «Data Science» an der FFHS ihr zugeschrieben ist, sind die Mitarbeitenden des LWS auch in der Lehre tätig. Beatrice freut sich hierbei besonders, dass durch die starke Diversität im Team (drei Frauen, vier Männer) aufgezeigt werden kann, dass Computerwissenschaften heute nicht nur mehr männlich sein müssen.

Für Beatrice steht fest, dass Frauen, welche sich in den naturwissenschaftlichen Disziplinen bewähren möchten, einen vorbehaltlosen Zugang zur Thematik sowie die nötigen strukturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen benötigen. Dies beginnt beispielsweise damit, dass sich Lebenspartner mehr im Familienmanagement beteiligen und alte Rollenbilder aufgebrochen werden. Die Kombination von Familie und erfolgreicher Karriere hängt sehr stark von der Bereitschaft des Partners ab, diese Rahmenbedingungen zu schaffen. Auch der Staat und die Unternehmen sehen sich gefordert, indem sie Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodelle schaffen, die es Frauen ermöglichen, den Spagat zwischen Familie und Berufsleben zu bewältigen. Oftmals benötigt es massive Auswirkungen von aussen, um hier geltende Paradigmen zu brechen und neue Wege einleiten zu können. So erleichterte etwa die Coronakrise mit vermehrtem Homeoffice und dezentraler Arbeitsweise vielen Frauen, die Familie in dieser Zeit zu managen und dennoch produktiv im Job zu sein – wohlbemerkt, solange die Schulen offen waren. Ebenso unterstützt die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit und eine flexible Arbeitsweise Frauen massiv im Handling von Job und Familie.

Sabine Vargas Geser, MSc

Auch Sabine Vargas Geser gibt zu verstehen, dass eine MINT-Karriere oftmals eine Gratwanderung zwischen Familienplanung und erfolgreicher Karriere ist.

Sabine Vargas Geser (MSc) ist heute als Dozentin für Informationssysteme und Internet of Things an der FFHS tätig und zudem als Daten- und Businessanalystin in der Finanzbranche aktiv. Als langjährige Projektleiterin verfügt sie über vielfältige Erfahrungen in der Informatikorganisation sowie im Daten- und Qualitätsmanagement und engagiert sich bereits seit über zwanzig Jahren in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. 

Sabine Vargas Geser ist in den 80er Jahren das erste Mal mit Computern in Form von Statistikprogrammen in Berührung gekommen und war von vornherein von der Tatsache fasziniert, «dass Computer eigentlich dumm sind». Es benötigt Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten, um diese Geräte zu etwas Nützlichem zu machen.

Zu Beginn ihrer akademischen Ausbildung strebte sie ursprünglich ein Psychologiestudium an. Doch anstatt in die Köpfe der Menschen zu schauen, richtete sich ihr Blick rasch auf das Innenleben der Computer. Mit ihrem Weg in die Selbstständigkeit schaffte sie es, für sich die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit eine Familienplanung neben einer erfüllenden beruflichen Tätigkeit möglich war. Neben der beruflichen Laufbahn fasste Sabine auch im akademischen Umfeld Fuss, um selber zur Förderung des Informatiknachwuchses beizutragen.

«Informatik ist mehr als Mathematik»

In Bezug auf die Herangehensweise der Lehre an die Informatik betrachtet sie den derzeitigen Umstand kritisch. Dass Informatik mehr als nur Mathematik ist, sollte in ihren Augen auch in der Lehre reflektiert werden. Zudem sollten Lehrinhalte auch vermehrt auf das Interesse der Mädchen ausgerichtet werden. In ihren Augen sind logisches Denken, eine systematische Herangehensweise an Herausforderungen und bestenfalls eine kreative Ader Eigenschaften, um in der Informatik nicht nur seinen Job, sondern wahrlich seine Berufung zu finden. Zudem helfen ein grundsätzlich positiv gestimmtes Gemüt sowie die Fähigkeit zu kommunizieren. Mädchen müssten viel mehr ermutigt werden, um an die Informatik heranzutreten, da sie bezüglich der wesentlichen Eigenschaften den Knaben um nichts nachstehen und sich auch in einem technischen Umfeld verwirklichen können.

«Mädchen müssen viel mehr ermutigt werden, um an die Informatik heranzutreten.»

Der 4. März ist in der Schweiz der Tag der Ingenieurinnen und Ingenieure. Dies ist ein Tag, an welchem deren Leistungen und Mehrwert für die Gesellschaft nach aussen kommuniziert werden. Es ist daher bedeutsam, an diesem Tag den Frauen eine Stimme zu geben und aufzuzeigen, dass fernab der klassischen Frauenberufe das MINT-Umfeld eine breite Palette an erfüllenden beruflichen Perspektiven für Frauen bietet.

Wichtig ist es hierbei, als Frau nicht in alten Rollenmustern zu verharren, sondern am eigenen beruflichen Lebenstraum zu arbeiten und an sich zu glauben. Die FFHS heisst Frauen aus MINT-Berufen willkommen und bietet in ihren verschiedenen Departments eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten sowohl in naturwissenschaftlichen, als auch in technischen Bereichen.