Dr. Ute Laun, Prof. Dr. Daniela Mühlenberg-Schmitz 24.03.2022

Nachhaltigkeit: Wegweiser für die strategische Einordnung und Berichterstattung

Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Anders als grosse, insbesondere kotierte Unternehmen veröffentlichen KMU vergleichsweise selten Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten. Dabei spielen zum einen die Kosten der Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Rolle, zum anderen aber auch häufig fehlendes Know-how.

Im Kontext des Klimawandels stehen Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit vor enor­men Herausforderungen. Ein strukturel­ler Wandel hin zu einer Kreislaufwirt­schaft bedeutet hohen Innovationsauf­wand. Zugleich steigen, einhergehend mit einer erhöhten Sensibilisierung der Öffentlichkeit, auch die Erwartungen an Unternehmen im Hinblick auf nachhalti­ges Wirtschaften.

Für international tätige Unternehmen, insbesondere kotierte Unternehmen, ge­hört die Nachhaltigkeitsberichterstat­tung längst zur gängigen Praxis, da sie den Transparenzanforderungen von In­vestoren und Märkten genügen müssen. Aber auch für Schweizer KMU stellt sich die Frage, inwiefern und in welcher Form die Veröffentlichung von Nachhaltig­keitsinformationen sinnvoll ist.

Gründe für die Offenlegung

Die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinfor­mationen dient in erster Linie dem Zweck, die Informationsbedürfnisse von Inves­toren, Kunden und anderen Interessens­gruppen zu erfüllen. Die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen kann jedoch unterschiedlich motiviert sein. Einerseits kann sie sich aus einer gesetzlichen Be­richterstattungspflicht ergeben (Compli­ance, siehe Abbildung 1). Anderseits kön­nen Unternehmen auch ohne gesetzliche Verpflichtung durch freiwillige Offenle­gung von Nachhaltigkeitsinformationen bestimmte Ziele verfolgen. Beispielsweise kann die Veröffentlichung eines Nach­haltigkeitsberichts der Imagepflege bezie­hungsweise dem Erhalt oder der Wieder­herstellung der Reputation dienen (Ri­siko-­ und Reputationsmanagement).

Unternehmen, die einen aktiven Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften leisten, können sich durch ihre Nachhaltigkeits­-Performance gegenüber Wettbewerbern abheben (strategischer Wettbewerbsvor­teil). Der letztere Fall setzt voraus, dass das Unternehmen Nachhaltigkeitsthe­men bereits in seine DNA integriert hat. Dies ist vor allem bei solchen Unter­nehmen der Fall, deren Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeit basiert, beispielsweise bei Start-­ups, die innovative Lösungen für eine Kreislaufwirtschaft entwickeln (nachhaltiges Geschäftsmodell). 

Prinzip der Kreislaufwirtschaft

Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet ver­einfacht Ressourcenneutralität, das heisst, so viele Ressourcen, wie im Wertschöpfungsprozess verbraucht werden, sollen dem Wirtschaftssystem auch wieder zu­fliessen. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass Neben-­ oder Abfallprodukte minimiert, also so weit wie möglich ei­nem weiteren Verwendungszweck zuge­führt werden. Auf dieser Prämisse beruht das Konzept der Kreislaufwirtschaft. Ein Beispiel für die Zuführung von Abfallpro­dukten eines Wertschöpfungsprozesses zu einem weiteren Verwendungszweck ist die Nutzung der Wärmeenergie, die bei der Müllverbrennung entsteht, für Fernwärme­-Heizsysteme.

Strategische Ansatzpunkte 

Damit Kreislaufwirtschaft in der Gesamt­wirtschaft funktioniert, müssen auch die Unternehmen nach dem Kreislaufprinzip wirtschaften. Das wiederum setzt voraus, dass Unternehmen entlang ihrer Wert­schöpfungskette analysieren, welche Nachhaltigkeitsaspekte gemäss dem sogenann­ten «ESG­-Konzept» relevant sind, das heisst primär aus der ökologischen, aber auch aus der sozialen und unternehmensethischen Perspektive (siehe Abbildung 2).

Für ein systematisches Nachhaltigkeits­management müssen ESG­-Aspekte, die im spezifischen Unternehmens­- und Branchenkontext relevant sind, identifiziert und in die bestehenden Kontroll­- und Steuerungssysteme des Unternehmens integriert werden. Dies wiederum be­dingt eine entsprechende strategische Stossrichtung und operative Vorgaben. Viele Unternehmen, insbesondere KMU, stehen hier noch am Anfang.

Wichtige Schritte auf dem Weg zur Ent­wicklung einer Strategie für Nachhaltikgkeitsmanagement und Berichterstattung sind zum einen Dialoge mit allen relevan­ten Interessensgruppen, zum anderen die Identifikation derjenigen Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit, die im Nach­haltigkeitskontext von finanzieller und nicht-finanzieller Relevanz sind. Aus­gehend von einer solchen Bewertung können Unternehmen strategische Stoss­richtungen definieren, um Risiken im Zu­sammenhang mit Nachhaltigkeitsaspek­ten zu reduzieren oder möglicherweise proaktiv durch innovative Lösungen zu einer Kreislaufwirtschaft beizutragen. 

Beim Thema Geschäftsmodell­-Innova­tion im Hinblick auf Nachhaltigkeit geht es um nicht weniger als um eine zukunfts­fähige Unternehmensstrategie. Der struk­turelle Wandel, der bereits vor der Coro­navirus-­Pandemie im Gange war, setzt sich fort, und die Auswirkungen der Pan­demie wirken als Katalysator. Die domi­nierenden Themen der Zukunft werden Digitalisierung, Talent-Management und nachhaltiges Wachstum sein. Daher werden Unternehmen, die ihre Geschäfts­modelle sowie ihre Organisationsstruktur und Prozesse dem Wandel anpassen, überlebenswichtige Vorteile haben.

Berichterstattung

Lange Zeit erfolgte die Berichterstattung zu nicht-finanziellen Aspekten in vielen Ländern auf freiwilliger Basis. Häufig ka­men dabei Rahmenwerke wie jenes der Global Reporting Initiative (GRI) oder des Integrated Reporting (IR) zur An­wendung. Im vergangenen Jahrzehnt war jedoch ein globaler Trend zu stärke­rer Regulierung der nicht-finanziellen Unternehmensberichterstattung zu be­obachten. In der EU wurden in den letz­ten zehn Jahren mehrere regulatorische Initiativen lanciert, die auf eine Bericht­erstattungspflicht zu nicht-finanziellen Themen und eine weitgehende Standar­disierung abzielen.

Schweizer KMU konnten bisher unbehel­ligt von solchen regulatorischen Initia­tiven agieren, spätestens mit der Um­setzung des Gegenvorschlags der Konzernverantwortungsinitiative werden jedoch auch Schweizer Unternehmen künftig einer Berichterstattungspflicht zu nicht-finanziellen Aspekten unterlie­gen. Auch wenn eine solche Berichter­stattungspflicht vordergründig grosse Unternehmen betrifft, steigt die gesell­schaftliche Erwartungshaltung, und mit zu nehmender öffentlicher Sensibilisierung werden sich über kurz oder lang auch KMU mit dem Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung befassen müssen.

Die Offenlegung von Nachhaltigkeits­informationen bedingt jedoch, dass die betreffenden ESG-Aspekte im Unterneh­men identifiziert und in systematische Kontroll-­ und Steuerungsprozesse einbe­zogen werden. Ohne ein solches Monito­ring wird eine fundierte Berichterstattung anhand von Kennzahlen und Vergleichs­grössen (zum Beispiel Mehrjahresver­gleich, Branchenvergleich) nicht möglich sein. Solche Kennzahlen müssen nämlich zunächst unternehmensspezifisch aus dem Wertschöpfungsprozess abgeleitet und anschliessend ins Verhältnis zu ex­ternen Kenngrössen, wie beispielsweise Vergleichszahlen innerhalb der Branche oder gesetzlichen Schwellenwerten, ge­setzt werden.

Die Mehrzahl der KMU in der Schweiz veröffentlicht bisher keine Nachhaltigkeitsinformationen. Dabei gibt es auch und gerade im KMU­-Bereich durchaus Pioniere, was die Entwicklung innova­tiver und nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen angeht. Solche Unter­nehmen könnten sich mit der Veröffent­lichung von Nachhaltigkeitsinformatio­nen noch stärker im Markt positionieren. Allerdings ist die Erstellung eines Nach­haltigkeitsberichts auch mit Kosten verbunden und bindet Ressourcen, was insbesondere im KMU­-Bereich oft eine Herausforderung darstellt. Nicht selten fehlt auch das nötige Know-­how, einer­seits hinsichtlich der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts, andererseits hinsichtlich der Identifikation relevanter Aspekte. 

Umsetzungshilfen

Das Institut für Management und Inno­vation der FFHS bietet Beratungsleistun­gen an, die Unternehmen befähigen, sich in der schnell wandelnden Unterneh­mensumwelt nachhaltig und zukunfts­fähig zu positionieren. Neben Unterstüt­zung bei einer fundierten Analyse nach­haltigkeitsrelevanter Aspekte entlang der Wertschöpfungskette nach dem We­sentlichkeitsprinzip bieten die Forschen­den Hand beim Aufbau eines proaktiven Stakeholder­-Managements, sowie der Entwicklung einer passgenauen Nachhaltigkeitsstrategie und vermitteln Schlüs­selkompetenzen für eine nachhaltige Unternehmensführung.

(Erstveröffentlichung: KMU-Magazin Nr. 1/2 Januar/Februar 2022)