Der Ninja gegen den Krebs
Sascha Brändle ist Unternehmer, ehemaliger Triathlet und Ehemann. Anfang dieses Jahres erfährt er, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Eine emotionale Reise mit Hochs und Tiefs beginnt. Ein Porträt über das Erdulden, aber auch über einen beeindruckenden Mindset, der ihn selbst im Schlimmsten das Positive sehen lässt.
Erdulden, aber auch kämpfen: Sascha Brändle trainiert nach wie vor so viel wie möglich. Auch zu den Zeiten, als ihn die Pflegenden aufs Velo heben mussten. (Fotos: ZVG)
«Gib mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.» Den Spruch hat Sascha Brändle vor einigen Jahren in einem Film aufgeschnappt und er hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Er erklärt vieles über seinen Umgang mit einem Schicksalsschlag. Anfang Februar erhält der 49-Jährige die Diagnose Knochenmarkkrebs. Zwei Wochen danach bricht sein Oberschenkelknochen und wenig später sitzt Sascha im Rollstuhl.
Wie hat er den Moment der Diagnose erlebt? «Die Ärzte haben das gut gemacht. Sie sagten, der Krebs sei zwar unheilbar, aber es gebe gute Therapien», blickt Sascha zurück. Sein erster Gedanke war deshalb «Okay, runterfahren» und die erste Frage, ob er denn während der Therapie weiterarbeiten könne.
Kämpfen heisst erdulden
Sascha war lange in der Geschäftsleitung einer Druckerei, danach COO bei einer Personalberatungsgruppe und hat an der FFHS Betriebsökonomie studiert. Vor zweieinhalb Jahren wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit klaren Umsatzzielen, 12-Stunden-Tagen, oft sieben Tage die Woche, hat er sein Beratungsunternehmen «Sascha Brändle Consulting» in Oberglatt aufgebaut. Die Firma berät KMU im Bereich Digitalisierung und bietet spezifische Lösungen auf Basis von MS 365-Produkten an. Saschas Unternehmen war auf Kurs, Anfang 2024 kamen vielversprechende Aufträge rein und er plante, Mitarbeitende einzustellen. Doch dann kam die Bremse.
«Bis zu diesem Tag war ich nie länger als zwei Tage krankheitsbedingt abwesend. Das gab es bei mir nicht», sagt Sascha. Nun jedoch hat der Krebs die Kontrolle über sein Leben übernommen und er musste seine Geschäftstätigkeit auf Eis legen. Sascha folgte seinem Leitsatz und akzeptierte, was er nicht ändern kann. Was er aber tun kann, ist kämpfen. Und kämpfen heisst in seiner Situation vor allem Erdulden. Fort- und Rückschritte ertragen. Knochenmarkkrebs kann je nach Art mit einer Lebenserhaltungstherapie unter Kontrolle gehalten werden, im besten Fall für zehn, im schlechteren für drei Jahre. Bei ihm sieht es eher nach letzterem aus. Sascha lässt eine, wie er sie nennt, «Atombombentherapie» über sich ergehen, eine hoch dosierte Chemotherapie in vier Zyklen. Damit ist er an der obersten Grenze des Aushaltbaren. Während sein Körper schwach wird, wächst die Stärke in seinem Kopf.
«Ich war schon immer ein Mensch, der in jeder Situation das Positive gesehen hat.»
Früher stellte Sascha die Arbeit vorne an. Heute haben sich die Prioritäten verschoben.
Über Grenzen gehen
Seine Frau, mit der er schon seit dem Teenageralter zusammen ist, beschreibe ihn so: «Dir scheint die Sonne aus dem Arsch.» Er selbst sagt: «Ich war schon immer ein Mensch, der in jeder Situation das Positive gesehen hat.» Im Beruflichen habe er dann gelernt, zu fokussieren und sich nicht von Problemen ablenken zu lassen. Diese Einstellung hat er im Ausdauersport nochmals gefestigt. Bis 2017 bestritt Sascha Triathlon-Wettkämpfe, ein Höhepunkt war die WM-Teilnahme in Hawaii. Der Sport lehrte ihn, über seine Grenzen zu gehen. «Wenn man sieben Stunden unterwegs ist und der ganze Körper schmerzt, sagt eine Seite ‹Jetzt reicht’s› und die andere ‹Du bist schon so weit gekommen›». Sascha vergleicht es mit der Chemotherapie, wenn er aus dem Spital erschöpft und geschwächt nach Hause kommt und denkt «nie wieder». «Ein paar Tage später sieht es wieder anders aus und ich frage, wann startet der nächste Zyklus?»
Sascha weiss, dass er einen sehr positiven Mindset hat. Als «Ninja gegen den Krebs» macht er seine Krankheit öffentlich und gibt auf den sozialen Medien Updates aus der Therapie. «Ich will anderen Mut machen und zeigen, dass nicht alles nur negativ ist. Ich kann auch mit Krebs gut leben, lachen und Herausforderungen annehmen.» Doch wie schafft er es, seinen Mindset aufrechtzuerhalten?
Mit Szenarien gegen das Ungewisse
«Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich mir kein Ziel setzen, weil ich es nicht selbst in der Hand habe», gibt Sascha zu. Statt Ziele definiert er Szenarien. «Ich habe fünf Szenarien und auf jedes bereite ich mich mental vor und finde etwas Positives.» Zum Beispiel im Szenario, in dem er von der IV lebt, seine Wohnung verkauft und im Tessin eine kleinere kauft. «Im Tessin zu leben, das würde mir eigentlich gefallen. Also hat dieses Szenario etwas Positives», erklärt er. Diese Herangehensweise nimmt ihm die Angst vor dem Ungewissen.
Seit seiner Diagnose durchläuft Sascha ein emotionales Auf und Ab. Die ganz tiefen Täler seien ihm dank seiner Einstellung erspart geblieben. Aber die Meilensteine in der Therapie seien «extreme Freudenmomente»: das erste Mal wieder alleine auf die Toilette, sich ohne fremde Hilfe waschen. Im September durfte Sascha erstmals seine Beine wieder voll belasten. Von diesen Momenten zehrt er, ohne sich falsche Hoffnungen zu machen.
Es verwundert nicht, kann er auch dem Krebs etwas Positives abgewinnen. Die Krankheit habe seinen Mindset noch stärker gemacht. Aber noch wichtiger: Er, der früher die Arbeit vor alles andere gestellt hat, habe endlich begriffen, «dass die Zeit mit meiner Frau wichtiger als alles andere ist».