«Code ist faszinierend, aber auch etwas Fremdes.»
Wir sind umgeben von Codes, ob wir wollen oder nicht. Auch in der Bildung ist das Digitale omnipräsent. Der Leiter des Departements E-Didaktik, Dr. Markus Dormann, erklärt, wie die FFHS den Code für eine bessere Lehre einsetzen will.
Was bedeutet für Sie persönlich der Code?
Code bedeutet für mich zunehmende Digitalisierung, alles wird immer mehr davon durchdrungen - und auch davon abhängig. Ich denke zurück an Zeiten, als man an einem Commodore 64 in Basic programmiert hat und gleichzeitig an heute, wo die Möglichkeiten der Programmierung so viel weiter gehen.
Wie stehen Sie gefühlsmässig zum Code?
Es ist eine Mischung. Auf der einen Seite ist Code faszinierend, auf der anderen Seite aber auch etwas nicht Greifbares, Fremdes, vielleicht auch Bedrohliches. Ein verschlüsselter Code kann auch etwas sein, das man nicht durchdringt.
Seit März 2019 leiten Sie das Departement E-Didaktik. Was ist E-Didaktik?
E-Didaktik hier an der FFHS heisst in erster Linie, dass wir uns um unser Blended Learning kümmern müssen. Das machen wir seit 20 Jahren sehr erfolgreich und haben sehr viele Kurse sowie Dozierende, die damit arbeiten und es ständig verbessern. E-Didaktik heisst aber auch E-Assessment, adaptives Lernen und Digitale Skills von Dozierenden zu fördern. Weiter bedeutet es für uns, mit anderen Institutionen zusammenzuarbeiten und sie dabei zu unterstützen, wie man die Lehre mit neuen digitalen Medien gut einsetzen und damit Lernerfolge erzielen kann.
Sie sprechen Digital Skills an. Was unterscheidet Dozierende an der FFHS von jenen an einer Präsenzhochschule?
Die Ansprüche gehen noch etwas weiter. Wir haben sowohl Präsenzlehre als auch Online-Lehre, also viele E-Learning-Elemente. Hier müssen sie es schaffen, mit Studierenden im Austausch zu bleiben, Rückmeldung zu geben, sie zu motivieren. Das ist herausfordernd. Ausserdem werden Digital Skills auch im Präsenzunterricht wichtig, wo es viele hilfreiche E-Didaktik-Tools gibt, die sie einsetzen können.
Was sind das für Tools?
Das können Tools im Bereich Visualisierung oder Gamification sein, oder Tools, die die Mobilität und Interaktion unterstützen. Was auch dazukommt, ist der Bereich Datenanalyse, um zu verstehen wie Studierende lernen.
«Technik und Code werden uns beim Lernen in Zukunft noch stärker unterstützen.»
Müssen Dozierend an der FFHS den Code verstehen?
Programmieren müssen sie nicht können, die Tools sind heute ausgereift und nutzerfreundlich. Aber sie müssen in der Lage sein, didaktisch zu denken und sie sollten die Funktionalität der digitalen Lerntools verstehen. Die Herausforderung besteht darin, gute Lehre im Ablauf zu planen, also wie nach dem Online-Vorbereiten das Wissen vertieft werden
kann.
Wie vermittelt die FFHS digitale Kompetenzen an die Dozierenden?
Wir bilden unsere Dozierenden weiter, damit sie digitale Tools einsetzen. Wir analysieren, wo Bedarf ist und unterbreiten dann die entsprechenden Angebote, etwa Workshops. Gerade bauen wir eine Media Factory auf, wo wir mit interaktiven Lernvideos und Lerninhalten Impulse setzen werden. Der Code kann in der digitalen Lehre sehr viel verändern, Stichwort «Adaptives Lernen». Dort unternimmt die FFHS ihre ersten Gehversuche.
Was sind Ihre Absichten?
Adaptive Lernsysteme sind ein wichtiger Bereich, weil sie es ermöglichen, Lernziele schnell und effizient zu erreichen. Das passt perfekt zu unserem Studienmodell. In einigen Bereichen sind wir sehr weit, was auch eine Leistung unserer Forschung ist. Nun müssen Forschung und E-Didaktik eng zusammenarbeiten, damit wir in die Breite gehen können. Aber es ist sehr aufwändig und herausfordernd in der Konzeption und Umsetzung. Wir haben hier viel Aufwand betrieben, adaptive Module wirklich in die Realität umzusetzen.
Adaptiv heisst, dass das System auf den Wissensstand des Studierenden reagiert und entsprechend Fragestellungen anbietet. Die Lernplattform wird sozusagen zum Tutor. Wie verändert sich die Rolle des Dozenten?
Wer adaptive Online-Kurse erstellt, muss in der Lage sein, viele gute Fragen zu formulieren. Sobald der Kurs läuft, sagt mir das adaptive System, welche Aufgaben gut bewältigt wurden und welche nicht. Das muss ich aber als Dozent interpretieren und die richtigen didaktischen Schlüsse daraus ableiten können, um dem Studenten optimal weiterhelfen zu können. Auch im Präsenzunterricht muss ich gut hinschauen und hinterfragen, ob der Student wirklich auf dem Level ist, welches das System angibt.
Ist das jetzt bereits in die Zukunft gedacht?
Kaum. Wir sind daran zu visualisieren, wie der Lernende seine Aufgaben bearbeitet hat. Dies ist dann die Grundlage, um im Präsenzunterricht anzuknüpfen. Wir wollen den Präsenzunterricht mittels Datenanalyse noch lernfördernder gestalten.
Datenschützer würden jetzt fragen: Wie viel wissen Sie über die Studierenden? Wie viel werten Sie aus und wozu?
Wir betreiben keine negative Logfile-Analyse. Wir nutzen Moodle-Daten für den Lernerfolg unserer Studierenden. Wir wissen, wie die Studierenden einzelne Aufgaben beantworten. Der Dozent kann so Einzelpersonen fördern. Zugriff auf diese Daten hat nur der Dozent sowie die für die Lernplattform verantwortlichen Personen, was unsere Datenschutzbestimmungen regeln.
Schauen wir noch etwas in die Zukunft. Virtual Reality ist ein Trend, der auch in der Bildung ankommt. Haben Sie konkrete Pläne?
Wir beobachten sehr genau, welche Trends es gibt und wie wir unsere Lehre stärker machen können. VR ist mit Sicherheit ein Zukunftsthema, steckt aber in vielen Institutionen noch in den Kinderschuhen. Die FFHS selbst reagiert gerade, indem wir die Media Factory mit Fachleuten wie 3D-Designern aufbauen, die Virtual und vor allem Augmented
Reality technisch umsetzen können.
Wie wichtig ist der analoge Teil im Blended Learning?
Sehr wichtig. Wir wissen aus der Forschung, wie zentral die Beziehungsebene, das Face-to-Face-Lernen zwischen Personen, ist. Darum haben wir ganz gezielt die Strategie formuliert, dass wir Präsenzlehre als wichtig erachten und dies in de nächsten Jahren beibehalten werden.
Dr. Markus Dormann leitet seit 2019 das Departement E-Didaktik an der FFHS. Er studierte Soziologie und Wirtschaftspädagogik an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg und forschte anschliessend insbesondere zum Einsatz von digitalen Medien in der Aus- und Weiterbildung. Als selbständiger Berater und Trainer war er ausserdem für zahlreiche nationale und internationale Unternehmen tätig, für die er seine Forschungsergebnisse in Vorträgen und Workshops einbrachte.
Und was ist die Stärke des Codes?
Wenn er optimal eingesetzt wird, sehe ich viele Stärken. Er kann Blended Learning-Kurse so gestalten, dass das Online-Lernen sehr gute Erfolge erzielt. Zum anderen kann er mittels Datenanalytik den Brückenschlag zur Präsenzlehre schaffen. Und er kann auch vor Ort, im Präsenzunterricht, mit digitalen Tools und guter didaktischer Planung die Lehre verbessern.
Wie wird an der FFHS in den nächsten fünf Jahren gelehrt?
Das ist genau die Fragestellung des diesjährigen Fernstudientages. Dazu haben wir Bildungsexperten von Partnern wie Intel und Microsoft eingeladen. Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, wie in fünf Jahren die Lehre aussieht.
Wie lautet Ihre persönliche Antwort?
Technik und Code werden uns beim Lernen noch stärker unterstützen, damit kann Lernen effektiver und effizienter werden. Gleichzeitig müssen wir als Hochschule darauf achten, dass wir ethische Aspekte miteinbeziehen. Konkret heisst das, dass die Lernsysteme für uns arbeiten und nicht gegen unsere Lernenden eingesetzt werden. Das ist auch
eine gesellschaftliche Herausforderung. Als Fachhochschule tragen wir eine grosse Verantwortung, in diesem Bereich ethisches Wissen aufzubauen, damit unsere Studierenden für die Zukunft gewappnet sind.
Wir sind umgeben von Codes, doch die wenigsten verstehen, wie Programme funktionieren. Sollte jeder programmieren lernen?
In anderen Ländern wird es früher als Fach implementiert, um Jugendliche ans Thema Coding heranzuführen. Im Hochschulbereich müssen wir ein Grundverständnis aufbauen für sensible Themen wie Algorithmen, Datenschutz, Kommerzialisierung von Codes und dessen Funktionsweise.
Können Sie programmieren?
Ich kann es in Ansätzen. Es kann Spass machen, es gibt sehr interessante spielerische Vermittlungsarten für die Grundlagen des Programmierens.
Lesen Sie lieber digital oder auf Papier?
Ehrlich gesagt lese ich kaum noch analog, vor allem aus Gründen der Praktikabilität. Doch wenn ich die Musse habe, dann geniesse ich auch ein Buch in Hardcover.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Das Leben des Vernon Subutex von Virginie Despentes und Goethes Faust.
Interview: Natascha In-Albon