Blockchain: Möglichkeiten und Grenzen im HR
Die Blockchain-Technologie verändert derzeit die Welt so grundlegend, wie das Internet bereits die Weitergabe von Information revolutioniert hat. Wie wandelt diese Technologie das Personalwesen und wo stösst sie an ihre Grenzen? Ein Einblick in verschiedene Anwendungsszenarien der Blockchain im HR zeigt, dass durch die Technologie das Personalwesen effizienter, transparenter und effektiver gemacht werden kann.
Die Blockchain-Technologie gilt als die grösste technologische Innovation nach dem Internet. Sehr vereinfacht erklärt kann sie als eine offene und verteilte Datenbank betrachtet werden, die immer aktualisiert und durch Verschlüsselung geschützt ist. Dieses dezentrale Netzwerk prüft und automatisiert den Informationsfluss. Das Prinzip: Datenblöcke werden chronologisch auf die Blockchain gespeichert, und jeder Akteur im Netzwerk kann solche Datenblöcke einsehen und überprüfen. Blöcke können hinzugefügt, aber nicht geändert werden, um sicherzustellen, dass die Information sicher bleibt. Wenn jemand versucht, einen Block zu ändern, erfahren es alle anderen im Netzwerk. Ausserdem können Datenbesitzer mithilfe eines Berechtigungssystems direkt verwalten, wer Zugriff auf ihre Daten hat.
Obwohl der bekannteste Anwendungsbereich einer Blockchain die Kryptowährung ist, bietet diese Technologie Einsatzmöglichkeiten in verschiedenen Branchen. Ein Bericht der non-profit Computer Technology Industry Association1 vom Oktober 2017 ergab, dass Early Adopters bereits Blockchain für digitale Identität (51Prozent), Asset Management und Tracking (49Prozent), Compliance/Auditing (49Prozent), verteilte Speicherung (48Prozent), Smart Contracts (45Prozent) und Kryptowährung / Zahlungen (44 Prozent) eingesetzt haben.
Neben den oben erwähnten Anwendungen prognostizieren sie auch Kostenvorteile und Qualitätssteigerungen bei Zertifizierungsprozessen, was besonders interessant im Bereich Personalwesen ist. In diesem Bereich gibt es derzeit nicht viel mehr als Pilotprojekte wie beispielsweise am Massachusetts Institute of Technology2 . Hier werden Studierenden digitale Kurszertifikate über eine auf Blockchain-Technologie basierende App ausgestellt, um ihnen einen schnellen Zugang zur Originalversion ihres Zertifikates zu ermöglichen. In der Schweiz setzt sich die Universität Basel für die Bekämpfung gefälschter Diplome ein und kooperierte 2018 mit BlockFactory beim Blockchain-Projekt Proxeus3 . Dazu stellte die Universität St. Gallen ein neues Pilotprojekt für ein Blockchain-basiertes System vor, das Diplome zertifiziert und deren Authentizität überprüft4 . Auch an der Fernfachhochschule Schweiz haben Studierende im Rahmen des CAS Blockchain eine vielversprechende Lösung in diesem Bereich entwickelt.
Herausforderungen in der Personalarbeit
Die Blockchain im HR kann während des gesamten Personalzyklus eingesetzt werden: bei der Einstellung, während und am Ende des Arbeitsverhältnisses. In diesen drei Bereichen werden noch viele Aufgaben unter einem hohen Mass an Handarbeit erledigt.
Zum Beispiel müssen alle Bewerbungsunterlagen wie Diplome oder Arbeitszeugnisse sowie die Informationen im Lebenslauf durch das HR überprüft werden. Diese Art von Background Checking benötigt viel Zeit und Ressourcen. Während des Arbeitsverhältnisses werden Leistungsbewertungen verfasst und die Laufbahnentwicklung wird dokumentiert. Der gesamte Prozess erfordert eine Interaktion zwischen vielen Teilen des Unternehmens und wird bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses regelmässig wiederholt.
Der Einsatz der Blockchain-Technologie kann die Arbeit der HR-Abteilung radikal vereinfachen und die Kosten und Bürokratie dank der Unveränderbarkeit der gespeicherten Daten und deren Kontrolle durch den Benutzer abbauen. Für Unternehmen entstehen damit Wettbewerbsvorteile – in der Wertschöpfungskette werden Ineffizienzen abgebaut und Prozesse optimiert.
Einfluss auf HR-Prozesse
Wie würden aber die oben erwähnte HRProzesse nach Einführung der BlockchainTechnologie aussehen? Ein Mitarbeiter verlässt die Firma. Der HR-Verantwortliche gibt das Arbeitszeugnis auf der Blockchain frei. Der ehemalige Mitarbeiter kann das Zeugnis für weitere Bewerbungen benutzen. Die gleiche Firma will einen neuen Mitarbeiter einstellen. Die Bewerber geben der Firma Zugriff auf ihre Daten wie Diplome, Zertifikate und Arbeitszeugnisse. Diese Daten werden alle von den ausstellenden Institutionen auf der Blockchain gespeichert. Die HR-Abteilung muss diese Informationen nicht überprüfen und kann sich auf die Selektion fokussieren. Nach der Einstellung der besten Kandidaten bestätigt die Personalabteilung auf der Blockchain das Einstellungsdatum. Anschliessend werden auch alle Rollen- und Arbeitsortwechsel, Aus- und Weiterbildungen, Beförderungen, Entlohnungen sowie der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses so gesichert.
Die Blockchain kann also den Überprüfungsprozess von Bewerberdaten automatisieren und beschleunigen, wodurch Personalverantwortliche nicht mehr mehrere Quellen kontaktieren müssen, um historische Informationen zu bestätigen. Darüber hinaus kann die Blockchain-Technologie die Gefahr des Betrugs bei der Lebenslauferstellung reduzieren und die Rekrutierungsphase verkürzen. Die Blockchain könnte in der Zukunft sogar den Prozess der Gehaltsabrechnung verändern, indem sie die Banken ausschliesst, die dem Prozess Zeit und Kosten hinzufügen.
Ein weiteres Thema ist der positive Einfluss der Blockchain auf die Produktivität der Mitarbeiter, mit Vorteilen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Es ist für kleinere Unternehmen besonders schwierig, die richtigen Kandidaten zu rekrutieren, um sie betätigen, wo sie produktiv sind. Die Blockchain kann ihnen helfen, dies effektiver und effizienter zu tun.
Keine Hürden?
Trotz der vielen Anwendungsbereiche ist die Blockchain noch eine unausgereifte Technologie. Eine erste Hürde ist das Fehlen von Fachkenntnissen: Blockchain bringt technologische Herausforderungen mit sich, ermöglicht komplett neue Geschäftsmodelle und es gibt noch keine gemeinsamen Best Practices oder Standards. Eine weitere allgemeine Herausforderung ist die Skalierbarkeit. Hier besteht die Notwendigkeit, die Gültigkeit von Transaktionen zu validieren. Eine wachsende Anzahl an Transaktionen wird zu erheblichen Latenzen bei der Verarbeitung führen und somit zu hohen Transaktionskosten.
In letzter Zeit gab es viele Diskussionen über die Spannung zwischen Blockchain und der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DSGVO). Die Verwendung der Blockchain zusammen mit personenbezogenen Daten (wie Name oder Adresse) wirft Bedenken im Hinblick auf das sogenannte Recht auf Vergessenwerden auf, da die Daten in der Blockchain weder gelöscht noch verändert werden können.
Fazit
Die Umsetzung von technologischen Entwicklungen braucht Zeit und die Implementierung von Blockchain-Lösungen im HR-Bereich wird schrittweise passieren. Die Entstehung von sogenannten Ökosystemen ist der Garant für den Erfolg der Technologie im HR5 . Solange die ausstellenden Institutionen die Zertifikate nicht auf einer Blockchain speichern, gibt es keine Garantie der Echtheit solcher Unterlagen, und das Background Checking im Einstellungsprozess bleibt Handarbeit. Die Entstehung von sogenannten Ökosystemen ist somit der Garant für den Erfolg der Durchsetzung der Technologie im HR. Die Blockchain kann einen Mehrwert während des ganzen Arbeitsverhältnisses generieren, indem sie die Bürokratie und die Kosten abbaut. Wenn die Hürden und die Widerstände für eine breite Anwendung solcher Technologie überwunden werden, könnte die Blockchain durchaus in der Lage sein, sowohl Lebensläufe als auch professionelle Netzwerkseiten wie LinkedIn überflüssig zu machen.
(Erstpublikation: Zeitschrift «kmu RUNDSCHAU, 01/2020»)
Autoren
Dr. Beatrice Paoli
führt anwendungsorientierte Forschung am «Laboratory for Web Science» (LWS) der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) durch.
Dr. Martina Perani
führt anwendungsorientierte Forschung am «Laboratory for Web Science» (LWS) der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) durch.
Bora Altuncevahir
doziert an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS).
Priska Burkard
ist Gründerin der SKILLS FINDER AG und Mitgründerin von TechFace.