Home Office statt Shanghai und Berlin
Der Master-Studiengang führt seine Studierenden im Zukunftsworkshop normalerweise an Orte, die Innovation und Entrepreneurship spürbar machen und die Teilnehmenden inspirieren sollen. Dieses Jahr war alles anders. Covid-19 zwang uns, die ursprünglichen Planungen für Shanghai und anschliessend Berlin gänzlich auf virtuell umzustellen.
Kann man einen viertägigen Zukunftsworkshop mit 41 Teilnehmern – der eigentlich im internationalen Rahmen geplant war – komplett online durchführen? Wie können in virtuellen Gruppen gute Ideen weiterentwickelt werden und Geschäftsmodelle entstehen? Wie arbeitet man kreativ und kollaborativ zusammen, wenn sich keiner direkt gegenübersitzt und die Köpfe zusammenstecken kann? Und wie können die Studierenden die Innovationskultur unterschiedlicher Unternehmen von zu Hause aus hautnah erleben?
Schon im Vorfeld viel Motivation und Kreativität
In Zeiten von Covid-19 mussten wir uns diesen Fragen stellen – und darauf Antworten finden. Die Pitches eigener Geschäftsideen, die die Studierenden als Videos im Vorfeld des Workshops eingesendet hatten, waren bereits sehr vielversprechend. Der Aufwand und der Einfallsreichtum der Ideenpräsentationen wiesen bereits auf eine grosse Erfolgskomponente des Workshops hin: Eigenmotivation und selbstständiges Arbeiten. Bei den potenziellen Ablenkungen, die eine Teilnahme von Zuhause aus bietet, hätte ein «Dienst nach Vorschrift» nicht genügt.
Darauf wurde bereits im Vorfeld hingearbeitet. Die Online-Plattform ist neben dem Live-Tool ein wesentliches Element, um eine gute Vorbereitung zu schaffen. Damit stellt eine klare und detailliert geplante Struktur den zweiten wichtigen Eckpfeiler der virtuellen Durchführung dar. Schliesslich konnten wir die Teilnehmer nicht mal eben für eine Ansage oder Planänderung zusammenrufen. So wurden jeden Morgen der Tagesablauf besprochen und danach kurze Übungen zur Weiterentwicklung der Geschäftsideen durchgeführt – mal ein Tutorial zu konkreten Kundenbedürfnissen, dann wieder eine Auseinandersetzung mit Fokus auf das eigene Wertangebot. Als besonders hilfreich erwies es sich hier, dass die Studierendenteams nicht nur Unterstützung durch ihre Dozierenden bekamen, sondern die Gruppen sich auch immer wieder wechselseitig in virtuellen Arbeitsräumen Feedback gaben. So konnte überprüft werden, ob ein potenzieller Kunde beim Erstkontakt mit einer Geschäftsidee den Kerngedanken auch wirklich schnell versteht.
Inspirierender Austausch
Beachtlich war dabei die Effizienz des gemeinsamen Arbeitens. So konnte beispielsweise in einer knappen Stunde eine funktionsfähige Landing Page aufgebaut und deren Link schnell im privaten Netzwerk zur Rückmeldung verschickt werden. Oder die Funktionsweise einer App für Sportwetten wurde mit einer rasch programmierten ersten Testversion verdeutlicht. Dabei waren beim Arbeiten zwei Fragen stets zentral: Versteht der Kunde mein Produkt? Und unter welchen Bedingungen würde er es nutzen? Es gehörte auch zum Lernprozess, lieb gewonnene Ideen verwerfen zu müssen und «die Unsicherheit aushalten zu können, nicht zu wissen, wie es weitergeht», wie Prof. Jan Pieper deutlich machte.
Doch es ging bei diesem Workshop nicht nur um das eigene Arbeiten, sondern auch darum, etwas von anderen zu lernen und Innovation erlebbar zu machen. Dr. Klaus Wildhirt von webstattt.io, einem Inkubator des hessischen Textilunternehmens MEWA, bot den Teilnehmenden Einblick, wie das mittelständische Familienunternehmen versucht, sich im Zukunftsfeld smarter Textilien erfolgreich zu positionieren. Der Investment Director der IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, Stephan Schulze, liess die Studierenden in die Perspektive eines Venture Capitalists eintauchen: Wovon hängt es ab, ob jemand, der zahlreiche Geschäftsideen hört, investiert? Wie lassen sich von aussen Erfolgschancen abschätzen? Auch erfolgreiche Unternehmer wie Benjamin Hofmann, Gründer der Sneakermarke kulson.de, kamen zu Wort und motivierten die Studierenden mit ihren aussergewöhnlichen Werdegängen und Erfahrungen: «Ihr glaubt gar nicht, wie viel man einfach mal selber machen kann.» Ungewöhnliche Geschäftsmodelle, wie das von jovoto.com, auf deren Plattform Unternehmen kreative Ideen und Köpfe für Innovationsprojekte finden können, wurde den Studierenden von Rohit Sharma mittels virtuellem Gastvortrag vorgestellt und Bernhard Berus, Produktmanager bei Bosch, diskutierte in einem spontanen Brainstorming mit den Studierenden Ideen für Car Sharing-Konzepte in post-Covid-19-Zeiten. Das breite Spektrum an externen Impulsen lieferte nicht nur Einblick in verschiedene Aspekte eines Innovationsökosystems, sondern auch Inspiration für die Geschäftsmodellentwicklung der Studierenden.
Den Workshop empfand ich wie einen Steigbügel für die Selbstständigkeit oder um eigene reale Geschäftsideen zu initiieren. Inspirierend, motivierend, fokussiert und mit viel Spass dabei.
Die dritte Erfolgskomponente war die technische Unterstützung durch Dimitri Degkwitz, der auch Sonderwünsche erfüllen konnte. Hier zeigte sich die Kompetenz der FFHS, und dass die Studierenden durch den FFHS-Online-Unterricht bereits sehr versiert im Umgang mit den technischen Hilfsmitteln waren und selbstständig für die Funktionsweise der eigenen Geräte sorgten.
Insgesamt sind der Kreativität, dem Eifer und der Interaktion durch die Online-Durchführung des Zukunftsworkshops keine Grenzen gesetzt und er steht dem ansonsten vor Ort stattfindenden Modul in puncto Erfolg und Ergebnissen in nichts nach. «Es ist hoch interessant, welche umfassenden Erkenntisse sich mittels der strukturierten Vorgehensweise des Design Thinkings innerhalb kürzester Zeit erzielen lassen. Und das sogar remote!» fasste Teilnehmer David Specker seine Erfahrungen zusammen und für Sonja Wenger endete der Workshop längst nicht mit den Abschiedsworten der Dozierenden: «Den Workshop empfand ich wie einen Steigbügel für die Selbstständigkeit oder um eigene reale Geschäftsideen zu initiieren. Inspirierend, motivierend, fokussiert und mit viel Spass dabei.» Nur das gemeinsame Feierabendbier trinkt sich schwierig im Chat.