Die Geschäftsmodelle von morgen
Business mit Zukunft. Wie können die Geschäftsleiter das Geschäftsmodell ihrer Unternehmung gestalten, um ihre Organisation angesichts der zunehmenden Digitalisierung zukunftsfähig zu machen?
(Quelle: Slidebean – Unsplash)
In diesem Artikel wird eine Vorgehensweise in vier Schritten zur Unterstützung des unternehmerischen Urteilsvermögens geschildert. Sie dient zur Schaffung einer Grundlage, auf der sich aussichtsreichere Entscheidungen betreffend die Geschäftsmodellgestaltung treffen lassen.
Schritt 1: Das eigene Geschäftsmodell durchdenken
Am Ausgangspunkt des Verfahrens steht das aktuelle Geschäftsmodell der Unternehmung. Kurzgefasst, beschreibt dieses, wie die Unternehmung ihre Erträge generiert. Es besteht aus den Ressourcen und Kernprozessen, die entscheidend sind, damit die Unternehmung ihr Nutzenversprechen erfüllen kann. Es umfasst die wichtigsten Beziehungen zu externen Parteien, wie Lieferanten und Distributoren und schildert mit welchem Wertangebot die Kundschaft, aufgeteilt in den relevanten Segmenten, angesprochen wird bzw. werden soll. Das eigene Geschäftsmodell in seine Bestandteile zu zerlegen, kann sehr viel über die Grundlage des Wettbewerbsvorteils einer Unternehmung offenbaren. Die Erkenntnisse gewinnen an Tiefe, wenn anschliessend ein Vergleich mit dem Geschäftsmodell der wichtigsten Konkurrenten und allfällige Substitute vorgenommen wird. Mit Letzteren sind diejenige Konkurrenten gemeint, die zwar denselben Markt angehen, jedoch eine neuere Technologie dazu einsetzen – z.B. Elektro- statt Verbrennungsmotor – oder das Geschäft anders betreiben – wie z.B. Amazon im Vergleich zu den traditionellen Buchhandlungen.
Schritt 2: Die Aussichten des aktuellen Geschäftsmodells ermitteln
Als Nächstes geht es um die Zukunftsträchtigkeit des Geschäftsmodells, so wie dieses aktuell ist. Als sinnvolles Prinzip gilt, dass nicht jeder Wandel mitgemacht werden muss. Allerdings wählt die GL lieber selber den Zeitpunkt, um das Ruder herumzureissen, als dass der Markt ihr die Entscheidung abnimmt kraft Umwälzungen im Angebot – sprich: Schritte der Konkurrenz – oder in der Nachfrage – eine schwindende oder abwandernde Kundschaft. Ob das bestehende Geschäftsmodell zukunftsträchtig ist, lässt sich einerseits anhand der Daten zur Nachfrageentwicklung bewerten, andererseits erfordert eine Beurteilung die Berücksichtigung der Entwicklung der relevanten Konkurrenz. Um an die Angaben zu kommen, muss man verschiedene Quellen anzapfen. Die Zahlen aus dem Unternehmungscontrolling bzw. die Angaben aus der Balanced Scorecard, falls eine solche in Gebrauch ist. Wertvolle Hinweise liefern aber auch die eigenen Mitarbeiter, insbesondere diejenige an der Front, die täglich mit dem Markt konfrontiert sind. Hat man eine Übersicht mit den genannten Angaben erstellt, so kann die Geschäftsleitung die Notwendigkeit und den Umfang des Wandels einschätzen.
Schritt 3: Die Auswirkungen von Digitalisierung eruieren
Die Geschäftswelt wird von Digitalisierung erneuert und dazu gehört auch die Erschütterung bestehender Wirtschaftsstrukturen. Digitalisierung hat aber viele Facetten und nicht alle sind gleichzeitig oder im gleichen Masse für jede Unternehmung relevant. Zunächst sollen demzufolge die unternehmensrelevanten Digitalisierungsthemen ermittelt und ihre Wirkung auf die einzelnen Bestandteile des Geschäftsmodells evaluiert werden. Zur Verdeutlichung der Vorgehensweise fokussiert diese Abhandlung auf drei Makroausprägungen von Digitalisierung:
Automatisierung.
Damit sind technologische Entwicklungen gemeint, welche menschliche Handlungen durch maschinelle Vorgehen ersetzen. Die Bedeutung, Reichweite und Komplexität solcher Veränderungen variiert von der Mechanisierung einzelner Schritte in einem Produktionsprozess bis zum epochalen Wandel der menschenfreien Fahrzeugsteuerung. Erstere war freilich schon vor der gegenwärtigen Digitalisierungswelle möglich. Letzterer ist nicht einmal mit den aktuellen Technologien ganz vollzogen. Weitere ausreifenden Entwicklungen stellt das automatisierte Antworten auf Kundenfragen dank Chatbots dar.
De-Materialisierung.
Damit sind Veränderungen gemeint, welche eine Verschiebung von materiellen Objekten hin zu virtuellen Nutzungsmöglichkeiten der Inhalte bewirken. Zwei bekannte Bespiele davon:
- Vom Dokument auf Papier zum elektronischen File mit semantischen Inhalt
- Die Veränderung der Tonträger, die von der Schallplatte über die CD bis zu den MP3-Files (und später weitere Formate) abgelöst wurden.
Vernetzung. Die Einführung und Entwicklung des Internets hat die Interaktionsmöglichkeiten mit und sogar zwischen den Geräten verschiedenster Art markant gesteigert. Dies ermöglicht die Überwachung und Steuerung sowie den Datenaustausch und läuft zunehmend über Smartphone-Applikationen. Unter den Anwendungen, die auf verschiedensten Formen der Vernetzung basieren, zählen die vorausschauende Wartung, das pay-per-view Fernsehen oder eine vielfältige innenräumliche Lichtgestaltung. Diese drei weitreichenden Ausprägungen von Digitalisierung können einen guten Anhaltspunkt bieten, um die Wirkungen von Digitalisierung auf das aktuelle Geschäftsmodell einer Unternehmung zu eruieren. Andere Trends oder spezifischere Varianten der oben genannten Trends können für eine spezifische Unternehmung zum Tragen kommen. Ermitteln, welche die relevanten Ausprägungen von Digitalisierung für die Unternehmung sind, ist die zentrale Aufgabe im dritten Schritt dieses Verfahrens.
Schritt 4: Die möglichen Veränderungen des Geschäftsmodells ausdenken
Abhängig vom Wirtschaftssektor, von der Konkurrenzsituation, vom bedienten Kundenbedürfnis sowie von den voraussichtlichen Veränderungen dieser Faktoren fallen die Auswirkungen der Digitalisierungstrends unterschiedlich aus. Nachdem also die unternehmungsrelevanten Digitalisierungstrends ermittelt wurden, geht es nun darum, pro Bestandteil des Geschäftsmodells zu überlegen:
- welche neuen Chancen sich aufgrund der ermittelten Digitalisierungstrends ergeben und
- welche bestehenden Erfolgspositionen der Unternehmung durch Digitalisierungsveränderungen ins Wanken kommen.
Die Schlussfolgerung
Wenn bei Schritt 2 die Aussichten des Geschäftsmodells trüb ausfielen, muss die Geschäftsleitung einsehen, dass eine Verbesserung der Effizienz höchstens eine kurzfristige Entlastung bewerkstelligen kann. Ob durch eine stärkere Differenzierung die Schieflage wettgemacht werden kann, erfordert eine nüchterne Abwägung. In einem solchen Fall geht es erst recht darum, eine Antwort auf die Frage zu finden: «Welche Chancen, die sich durch Digitalisierung ergeben, lassen sich mit den verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten der Unternehmung nutzen? » Die Antwort soll zunächst im angestammten Geschäftsbereich gesucht, jedoch nicht darauf beschränkt werden. Vollblutige Unternehmer stellen sich solche Fragen unaufgefordert. Andere fokussieren sich lieber auf das bestehende Geschäft. In Zeiten der Veränderung ist es besonders wichtig, aktiv nach Chancen zu suchen und auch die entsprechenden Ressourcen und Fähigkeiten zu organisieren. Neben der unternehmungsinternen Entwicklung, sollen von Anfang an ebenfalls Kooperationen mit externen Partnern berücksichtigt werden. In einer vernetzten Welt ist das Zusammenspiel verschiedener Spezialisten umso wichtiger für den Erfolg.
(Erstpublikation in der Zeitschrift «UnternehmerZeitung 1/2 | 2021»)