Nachhaltigkeitsmanager braucht das Land
Unternehmen, die sich nachhaltig ausrichten, verzeichnen bereits heute klare Wettbewerbsvorteile. Die Generation Z will nicht nur nachhaltig konsumieren, sondern auch bei einem verantwortungsvollen Arbeitgeber tätig sein. Höchste Zeit, dass zukünftige Führungskräfte lernen, nachhaltig zu denken und zu handeln.
Nachhaltigkeitsmanager benötigen mehr als die ökologische Perspektive.
(Foto: Corinne Kutz – Unsplash)
Fast täglich berichten Medien über die Auswirkungen des Klimawandels und Initiativen für eine nachhaltige Zukunft in der Politik und in der Wirtschaft. Immer mehr Unternehmen verankern Nachhaltigkeit in ihrer Strategie und bilden entsprechende Abteilungen, in denen Nachhaltigkeitsbeauftragte arbeiten. Start-ups, die sich nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen verschrieben haben, schiessen wie Pilze aus dem Boden. Wieso ist das Thema Nachhaltigkeit derzeit so aktuell?
André Olveira-Lenz ist Leiter des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt an der IHK Südlicher Oberrhein und doziert im Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen in der neuen Vertiefung Corporate Sustainability and Green Technologies. Er sieht die Omnipräsenz des Themas im wachsenden gesellschaftlichen Druck begründet: «Nachhaltigkeit hat sich bereits oft als entscheidender Faktor für Kunden bei der Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen herauskristallisiert». Insbesondere die zukünftige Kundengruppe der Generation Z achtet länger denn je auf eine nachhaltige Unternehmensphilosophie, während Preis und Qualität in den Hintergrund rücken. Zudem gibt Olveira-Lenz zu bedenken, dass Firmen immer mehr gesetzliche und regulatorischen Vorgaben und gewisse Mindeststandards in punkto Nachhaltigkeit zu erfüllen haben.
Wieso erst jetzt?
Ein Unternehmen kommt heute kaum um das Thema herum, aber wieso eigentlich gerade jetzt? Geht es nach Dr. Natascha Hebestreit, Fachbereichsleiterin für Ethik und Nachhaltigkeitsmanagement an der FFHS, hätten wir bereits seit Jahrzehnten die nötigen Daten zur Hand, etwa zum überproportional hohen Ressourcenverbrauch oder zum demografischen Wandel in den Industrienationen. Gehandelt werde jedoch erst, wenn die Effekte auch für den Einzelnen spürbar sind. «Erst jetzt werden Umweltkatastrophen mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht und Flüchtlingsbewegungen auf die globale soziale Ungerechtigkeit zurückgeführt». Nicht zuletzt habe auch die Coronakrise aufgezeigt, welche Schwachstellen unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem hat.
Mit der sozialen Komponente spricht Hebestreit einen wichtigen Aspekt von Nachhaltigkeit an. Oft wird nachhaltig (auch in Unternehmen) mit ökologisch gleichgesetzt, dabei geht es um die Betrachtung und Vernetzung der drei grossen Dimensionen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. «Nachhaltigkeit bedeutet auch, Themen wie soziale Gerechtigkeit, Armut, demografischen Wandel, wirtschaftlichen Fortschritt und sorgsamen Umgang mit Technologien zu bedenken und dauerhaft in das unternehmerische Handeln zu integrieren», sagt FFHS-Dozent Sandro Olveira, der an der Universität Zürich im Bereich Sustainable Chemistry forscht und lehrt. Zusammengefasst: Langfristiges und weitsichtiges Handeln muss in allen Unternehmen die Devise sein, kurzfristige Entscheidungen gehören der Vergangenheit an.
Generalisten sind gefragt
Doch welche Skills benötigen Nachhaltigkeitsbeauftragte oder Führungspersonen, um zukunftssichere Entscheidungen treffen zu können? Oliveira ist sich sicher, dass in den nächsten Jahren ein extrem breiter Arbeitsmarkt für Nachhaltigkeitsmanager in jeglichen Branchen offensteht. Meist stehe der Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit im Vordergrund, auch wegen den Einsparpotenzialen und des medialen Interesses. «Die Besonderheit im Nachhaltigkeitsmanagement ist jedoch, dass es sehr viele betriebliche Themen wie Energieeffizienz, Umwelt, Arbeitssicherheit, Personalentwicklung und Qualität miteinschliesst». Daher seien Nachhaltigkeitsbeauftragte Generalisten, die sehr interdisziplinär agieren. Ausserdem müssen sie eine Multiplikator-Rolle im Unternehmen einnehmen, um das Thema glaubwürdig zu vermitteln und Mitarbeitende, Lieferanten und Kunden für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren.
Auch Natascha Hebestreit sieht vor allem das interdisziplinäre Denken und Handeln als Voraussetzung, um miteinander verwobene Problemstellungen auf wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Ebene zu lösen. Es liegt nun auch an den Hochschulen, die entsprechenden Kompetenzen bei ihren Studierenden weiter zu fördern. An der FFHS ist Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Corporate Responsibility bereits seit einigen Jahren ein Pflichtmodul im Bachelor Betriebsökonomie, nun kann das Thema zusätzlich in neuen Vertiefungsrichtungen gewählt werden (siehe unten).
Die Prognosen stehen gut für zukünftige Nachhaltigkeitsbeauftragte. Doch nur dann, wenn ein Unternehmen Nachhaltigkeit nicht als Luxusdisziplin betrachte, sei der Job auch wirklich attraktiv, gibt Hebestreit zu bedenken: «Nur, wenn Nachhaltigkeit in alle Unternehmensprozesse integriert wird, hat der Nachhaltigkeitsmanager vielfältige herausfordernde Aufgaben mit grossem Potenzial für ein Unternehmen».