«Der Erde entspringt so viel Herrliches»
Die Federbälle von Badminton-Profi Joel König fliegen millimetergenau über das Netz. Auch seine Flugreisen zu den verschiedenen Wettkampforten sind gut überlegt. Der 26-jährige Baselbieter ist Betriebsökonomie-Student an der FFHS und engagiert sich als myClimate-Botschafter. Wie er die Wirtschaft und die Umwelt, seine Karriere und seine Ausbildung unter einen Hut bringt. Und was wir als Gesellschaft aus der Corona-Krise lernen sollten.
Joel König trägt ein T-Shirt, das von seinem Ausrüster komplett aus recycelten PET-Flaschen besteht
(Foto: Federação Portuguesa de Badminton)
Wie sind Sie dazu gekommen, Badminton-Profi zu werden?
Als neunjähriger Knirps fand ich zufällig zum Badminton und schon bald wurde ich ins U13-Nationalkader aufgenommen. Während meiner Zeit am Gymnasium stand ich vor der Frage, wie es mit dem Sport weitergehen soll. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde ich bereits von vielen Seiten stark gefördert, weshalb ich zur Überzeugung gelangte, die mir gegebenen Chancen zu nutzen. Ich war motiviert, mich für den riskanten Weg des Badminton-Profis zu entscheiden, also vom Sport leben zu wollen.
Welches sind Ihre nächsten sportlichen Ziele, auf die Sie hintrainieren?
Eigentlich wollte ich in diesem Jahr viele Turniere spielen, um die vergangenen Qualifikationsmonate für die Olympischen Spiele 2021 nachzuholen. Doch aufgrund der Corona-Pandemie sind Zielsetzungen schwierig und eine Planung noch nicht immer möglich. Die meisten Turniere wurden abgesagt. So verfolge ich aktuell das Ziel, mich im Trainingsalltag möglichst in den Wettkampfmodus zu versetzen, so dass ich bei möglichen Turniereinsätzen 100 Prozent fit und sofort bereit sein werde.
Wie gehen Sie mit der Situation ohne Wettkämpfe um?
Auf einen Schlag wurde uns Athleten das weggenommen, wofür wir schlussendlich tausende Stunden Blut schwitzen und uns im Training tagtäglich abrackern: Als Schweizer Nationalspieler will ich im Ausland Weltranglistenpunkte erspielen. Ich akzeptiere die neue Situation, nutze die Trainingszeit bestmöglich und trage das Bewusstsein in mir, dass der Sport vielleicht nie mehr so sein wird, wie ich es mir gewöhnt war.
Sie engagieren sich als myclimate-Botschafter für den Klimaschutz. Was bedeutet für Sie, nachhaltig zu leben?
Wir müssen unbedingt Sorge tragen zum Planeten Erde. Ich meine, wir dürfen Rohstoffe abbauen und Boden bewirtschaften. Es kann auch zwangsläufig zu punktuellen, teils irreversiblen Veränderungen in der Landschaft kommen, etwa beim Bau eines Hauses. Aber wir haben nur diese eine Erde zum Leben. Bei zunehmender Weltbevölkerung wird die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung umso wichtiger und darum ist dies für mich eine ethische Frage. Der Erde entspringt so viel Herrliches und Wunderbares und alles, was wir zum Leben brauchen. Ich finde, es liegt auf der Hand, dass nicht nur die Bewahrung unseres Planeten für alle nachfolgenden Generationen ein selbstverständliches Ziel sein sollte. Ich meine, dass bereits unsere Generation damit beginnen muss, die Versäumnisse früherer Generationen aufzuholen.
Kann man denn als Sportler auf das Klima achten? Für die Turniere fliegen Sie um die halbe Welt.
Ja klar, ich bin kein Konsumverweigerer. Gerade beim Fliegen ist’s einfach: Wer fliegt, zahlt. Ich bin mir also bewusst, dass ich durch meine Flugreisen dem Klima mehr schade, als dies für die Umwelt gut wäre. Darum versuche ich bestmöglich die Verantwortung dafür zu übernehmen und bezahle die kompletten, nicht im Flugticket einkalkulierten C02-Kosten zusätzlich. Oder vielleicht sogar etwas mehr. Den Betrag, den ich für eine Kompensation bezahlt habe, kann ich nicht nochmals ausgeben. Somit verzichte ich automatisch auf mehr Konsum. Das Modell von solchen Kompensationszahlungen ist aber nur eine temporäre Lösung, bis Industrie und Forschung nachhaltige Reisen ermöglichen können.
«Für die Umwelt sehe ich die Corona-Krise einzig dann als Chance, wenn jeder Mensch dadurch erkennt, wie vulnerabel wir als Individuum, aber auch als Gesellschaft sind. Es gibt viele Dinge, die wir nicht kontrollieren können: Naturkatastrophen, das Wetter oder eben solche Viruskrankheiten. Warum also nicht das, was wir immerhin beeinflussen können, bestmöglich schützen, bevor wir uns unserer Lebensgrundlage selbst berauben?»
Nachhaltigkeit bedeutet auch, in die Zukunft zu planen. Haben Sie sich deshalb für ein Studium entschieden?
Badminton ist athletisch und mental sehr anspruchsvoll. Vom Körper wird viel gefordert. Darum ist für mich die Badminton-Karriere auch nur eine zeitlich begrenzte Berufstätigkeit. Für meine Nachsportkarriere will ich gut vorbereitet sein und da gehört es dazu, dass ich eine Hochschulausbildung in Angriff nehme. Um einen Hochschulabschluss zu erlangen, klar. In meiner Studienrichtung Betriebsökonomie möchte ich mir aber auch Fähigkeiten und Wissen aneignen, die ich später in meinem zweiten Berufsleben gezielt und sinnvoll einsetzen kann – in welcher Form auch immer.
Wie bringen Sie das Studium mit dem Spitzensport unter einen Hut?
Die Konkurrenz im Ausland, vor allem aus Asien, ist so gross, dass ein echt hoher Trainingsumfang erforderlich ist. Lange Trainingstage und Turnierreisen ins Ausland belasten den Körper und Geist sehr, vor allem weil einem jeden Tag die Emotionen des Erfolgs und Misserfolgs begleiten. Hinzu kommt noch die Eigenverantwortung, meine eigene Karriere selbst zu managen und für deren Finanzierung zu sorgen. So bin ich es mir gewohnt, vor grossen Herausforderungen zu stehen und sehe das Teilzeit-Studium an der FFHS nicht als Problem, sondern als tolle Chance und einen riesigen Gewinn für mich. Eine Vision, gute Planung und viel Motivation geben mir das Vertrauen, einen möglichst grossen Hut zu tragen.
Wer steckt hinter dem Sportler, dem Studenten und myclimate-Botschafter Joel König? Bleibt da überhaupt noch Freizeit und Zeit für sich selbst übrig?
Ja, es gibt auch noch andere Lebensbereiche, die mich prägen und formen. Die körperliche Erholung nach meiner Trainings-Arbeit ist wichtig für die Balance. Meine Freizeit plane ich gezielt. Darüber hinaus will ich mein Leben so gestalten, um mit meinen Möglichkeiten und Fertigkeiten Sinnreiches tun zu dürfen.
Wie erleben Sie das Studium im Onlineunterricht – vermissen Sie den Präsenzunterricht?
Aufgrund meiner sportlichen Auslastung besuche ich keinen Präsenzunterricht und studiere komplett selbstständig nach dem Lehrplan. Die spannende Literatur, die von der FFHS nach Hause gesandt wird, passt für mich.
Zurück zur Umwelt. Mit der Coronakrise sinkt auch die Mobilität. Eine Chance?
Wenn es nach der Corona-Krise plötzlich keine exzessiven City-Hoppings mit dem Flugzeug mehr gibt, die Kreuzfahrtschiffe nicht mehr mit Schweröl fahren und all unsere Autos mit grünem Strom und fair produzierten Lithiumbatterien verkehren, dann hat Corona die Mobilität schon verändert. Aber was zeigt uns die Realität? Nachdem Grossbritannien im Februar verlauten liess, dass auf den Sommer hin alle Reiserestriktionen aufgehoben würden, schnellten die Flugbuchungen für Ferienreisen hoch. Ich befürchte, dass flächendeckend ein grosser Nachholeffekt einsetzen wird, um Verpasstes zu kompensieren. Für die Umwelt sehe ich die Corona-Krise einzig dann als Chance, wenn jeder Mensch dadurch erkennt, wie vulnerabel wir als Individuum, aber auch als Gesellschaft sind. Es gibt viele Dinge, die wir nicht kontrollieren können: Naturkatastrophen, das Wetter oder eben solche Viruskrankheiten. Warum also nicht das, was wir immerhin beeinflussen können, bestmöglich schützen, bevor wir uns unserer Lebensgrundlage selbst berauben? In diesem Sinne hoffe ich auf einen Corona-Effekt in der Politik. Wenn weltweit, innert kürzester Zeit, zur Abfederung der gesellschaftlichen Folgen von Covid-19, hunderte von Milliarden freigegeben werden, könnte man dies nicht auch beim Thema Umweltschutz erwarten?
Sie studieren Betriebswirtschaft. Wo sehen Sie Ansätze für eine nachhaltigere Wirtschaft?
Aus meiner Sicht geht kein Weg daran vorbei, vom allerersten Herstellungsschritt eines Gutes die externen Umwelt-Kosten in die Marktpreise zu internalisieren. Geschieht dies nicht, wird die Verantwortung der Nachhaltigkeit auf den Endkunden abgewälzt. Es kann nicht sein, dass vom Endkunden verlangt wird, dass er zum Beispiel minutenlang Zertifikate und Labels auf einer Büchse Tomatensauce untersuchen muss, um herauszufinden, ob der Konsum nun umweltfreundlich wäre oder nicht. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel auf der kompletten Angebotsseite im Markt, der auch in der so komplexen und vernetzten globalisierten Welt flächendeckend funktioniert. Es darf nicht mehr nur heissen «Wer zahlt befiehlt», sondern auch «Je mehr ein Mensch zu Lasten der Nachhaltigkeit konsumiert, desto mehr soll er für ein Produkt zahlen». Es muss komplett nach dem Verursacherprinzip gelebt werden. Dafür braucht es Anreize, oder wo solches nicht ausreicht, staatliche Regulierungen.
Haben Sie Tipps für den Alltag, wie man verantwortungsvoll und nachhaltiger leben kann?
Ich glaube da gibt es viele Experten, die besser und weitreichender Auskunft darüber geben können, als ich. Ihre Ratschläge basieren auf wissenschaftlich angelegten Studien und Forschungen und beschreiben umfangreich, was die Umwelt schont und was nicht. Evidenz ist wichtig. Jeder muss sich selbst auf die Suche machen, wie er sein Leben nachhaltig gestalten kann, und vielleicht muss. Und die Staaten sollten sich global im Interesse ihrer eigenen Bevölkerung zusammenspannen, um die Folgen der Klimaerwärmung abzufedern. Gelingt uns dies nicht, könnte der Preis für die Menschheit sehr gross werden.
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