Barrierefreie Bildung für alle
Ein wichtiger Zugang zu Bildung erfolgt heute über digitale Kanäle wie Webseiten, Lernplattformen und Video-Tutorials. Für Menschen mit Beeinträchtigungen sind diese von besonderer Bedeutung. Umso wichtiger, die digitalen Zugänge sowie die Bildungsangebote im Allgemeinen möglichst barrierefrei zu gestalten. Einblicke aus einer Expertenrunde.
Voraussetzung für Chancengleichheit: barrierefreie digitale Zugänge
Der Ruf nach Barrierefreiheit wird inzwischen zwar lauter, ist aber noch immer zu wenig laut, findet Dr. Andreas Uebelbacher, Leiter Dienstleistungen bei der Stiftung Zugang für alle, die sich für digitale Barrierefreiheit einsetzt. Zu oft wird Barrierefreiheit als Randthema betrachtet. «Es ist wichtig, Sensibilisierung zu betreiben, vor allem für digitale Zugänglichkeit», so Uebelbacher. Doch was bedeutet Barrierefreiheit (engl. Accessibility) für eine Webseite bzw. für ein digitales Produkt und wie kann diese umgesetzt werden?
Klar ist dabei, dass digitale Technologien immer wichtiger werden und sämtliche Lebensbereiche durchdringen. Oft wird es aber nicht verstanden, dass sie für Menschen mit Beeinträchtigungen eine noch grössere Bedeutung haben. «Digitale Kanäle sind mehr als einfach nur bequem, sie stellen für Menschen mit Beeinträchtigungen oft den einzigen Kanal dar, über den sie überhaupt auf Informationen zugreifen können», erklärt Uebelbacher und fügt an: «Digitale Kanäle haben ein enormes Potenzial, Chancengleichheit zu schaffen.»
Barrierefreiheit bedingt Benutzerfreundlichkeit
Wer sich mit Barrierefreiheit beschäftigt, kommt nicht um Usability, also die Benutzerfreundlichkeit herum; ein Gebiet, in dem Dr. Shankar Ram und Dr. Daniel Felix Experten sind. Die beiden FFHS-Dozenten betonen die Wichtigkeit einer umfassenden Benutzerfreundlichkeit, die die Bedürfnisse der unterschiedlichen User im Auge behält. Denn einerseits sind Personen mit Beeinträchtigungen nicht eine homogene Gruppe und andererseits kann jeder Mensch situationsbedingt von einer Beeinträchtigung betroffen sein. Zum Beispiel sind bei starkem Sonnenlicht auch Nicht-Sehbehinderte dankbar, wenn der Kontrast auf einem Display genügend stark ist, um die Inhalte zu erkennen. Auch die Mobile-Fähigkeit von Webseiten ist ein Merkmal guter Usability, das für alle Nutzergruppen hilfreich ist. «Für ältere Leute ist es wichtig, dass sie die Möglichkeit haben, Mobile- oder Desktop-Inhalte zu vergrössern», so Ram. Wenn eine Seite responsiv gestaltet ist, kann diese per Zoom vergrössert werden – die Benutzeroberfläche passt sich der vergrösserten Anzeige an und bleibt navigierbar. Eine benutzerfreundlich gestaltete Anwendung ist die Grundlage für gute Accessibility.
«Digitale Kanäle haben ein enormes Potenzial, Chancengleichheit zu schaffen»
Wegweiser für gute Accessibility
Es müsste der Standard sein, dass eine Webseite barrierefrei ist, sind sich alle Experten in der Runde einig. Doch in der Umsetzung ist dies nicht immer so einfach, fehlendes Know-how bei den Web Developern und eingeschränkte Ressourcen stellen oft «Barrieren» dar. Die Verbesserung der Zugänglichkeit sei als stetiger Prozess anzusehen, so Ram. «Ein Design ist nie fertig. Man muss es ständig verbessern.» Die folgenden Punkte der Guideline, die Andreas Uebelbacher aus seiner langjährigen Erfahrung als sehr wichtig, aber vielfach verletzt einstuft, können bereits viel bewirken und die Zugänglichkeit einer Webseite massiv erhöhen.
Ausreichend Kontrast
Texte oder Bedienelemente sollten einen starken Kontrast mit dem Hintergrund aufweisen, damit die Lesbarkeit gewährleistet ist. Davon profitieren auch Nutzerinnen und Nutzer, die gesunde Augen haben.
Alternativtext für informative Grafiken
Dies betrifft Personen, die einen Screenreader nutzen. Grafische Elemente sollten sinngebend bezeichnet werden, beispielsweise Schaltelemente bei einer Mobile- App. Sind diese nicht bezeichnet, liest der Screenreader nur «Schalter», was die App unbenutzbar macht.
Struktur von Dokumenten und Webseiten
Beim Aufbau von Inhalten ist die Semantik bzw. die Beziehung zwischen den einzelnen Inhaltselementen Expertenrunde für digitale Zugänglichkeit relevant. Beispielsweise sollen Hierarchiestufen für Überschriften nicht nur sichtbar, sondern als solche formatiert sein. Dies betrifft auch sämtliche Listen, Paragrafen und Tabellen. Dies schafft Orientierung für verschiedene Nutzergruppen, u.a. beim Zugriff mittels Screenreader, aber auch für Sehbehinderte oder Menschen mit kognitiven Behinderungen.
Videountertitelung
Gehörlose Menschen benötigen zum Verständnis von Videos eine visuelle Unterstützung. Hierzu dienen Videountertitel, die ihnen zum Beispiel eine aufgezeichnete Vorlesung zugänglich machen. Achtung bei automatischer Untertitelung: Diese ist fehleranfällig, insbesondere bei Dialektvideos.
Tastaturbedienbarkeit
Alle interaktiven Elemente sollten nicht nur mit der Maus, sondern auch mit der Tastatur erreichbar sein. Dies betrifft motorisch beeinträchtigte Menschen, bedeutet aber auch gute Usability für alle Nutzerinnen und Nutzer.