Was ändert sich durch die AHV-Reform?
Die AHV-Reform wurde Ende September 2022 nach mehreren gescheiterten Anläufen mit einer knappen Mehrheit von Volk und Ständen angenommen. Die Änderungen in der AHV werden voraussichtlich per 1. Januar 2024 in Kraft treten. Ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen in der ersten und zweiten Säule des schweizerischen Vorsorgesystems.
Aufgepasst: Die AHV-Reform bringt beachtenswerte Änderungen mit sich, ein vorausschauender Blick lohnt sich. (Bild: K. Mitch Hodge)
Mit der AHV-Reform wird das ordentliche Pensionierungsalter für Frauen schrittweise von 64 auf 65 Jahre erhöht und so dem Referenzalter der Männer angeglichen. Frauen der Jahrgänge 1961 bis und mit 1969 werden als Übergangsgeneration einen finanziellen Ausgleich erhalten – sofern sie die Altersrente nicht vorbeziehen. Die lebenslangen AHV-Rentenzuschläge für diese Frauen sind entsprechend dem durchschnittlichen Jahreseinkommen abgestuft:
- Für durchschnittliche Einkommen bis und mit CHF 58 800 beträgt der Grundzuschlag CHF 160/Monat
- Für durchschnittliche Einkommen von CHF 58 801 bis und mit 73 500 beträgt der Grundzuschlag CHF 100/Monat
- Für durchschnittliche Einkommen ab CHF 73 501 beträgt der Grundzuschlag CHF 50/Monat
Geburtsjahr | Referenzalter | AHV-Rentenzuschlag in % des Grundzuschlags |
1961 | 64 + 3 Monate | 25% |
1962 | 64 + 6 Monate | 50% |
1963 | 64 + 9 Monate | 75% |
1964 | 65 | 100% |
1965 | 65 | 100% |
1966 | 65 | 81% |
1967 | 65 | 63% |
1968 | 65 | 44% |
1969 | 65 | 25% |
Da der Rentenzuschlag ausserhalb des Rentensystems erfolgt, unterliegt er nicht der Plafonierung der Altersrente von verheirateten Frauen und wird über die Maximalrente hinaus bezahlt. Der AHV-Rentenzuschlag wird aus einem nach Jahrgang abgestuften Prozentsatz des Grundzuschlags bestimmt: Bei vorzeitiger Pensionierung erhalten die Frauen der Übergangsjahrgänge anstelle eines Rentenzuschlags reduzierte Kürzungssätze, die je nach durchschnittlichem Jahreseinkommen und Vorbezugsdauer unterschiedlich ausfallen. Ausserdem können Frauen dieser Jahrgänge die AHV bereits mit Alter 62 statt Alter 63 beziehen. Die Reform soll Frauen und Männern zudem mehr Flexibilität hinsichtlich des Zeitpunkts des Rentenbezugs geben. Die AHV-Rente kann neu zwischen 63 und 70 Jahren und erstmals auch in verschiedenen Teilschritten bezogen werden. Ein Teilbezug muss dabei zwischen 20 und 80 Prozent der Gesamtrente liegen.
Gleichzeitig mit der AHV-Reform hat das Schweizer Stimmvolk auch die daran gekoppelte Abstimmung über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer angenommen. Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird ebenfalls per 1. Januar 2024 von heute 7.7 Prozent auf 8.1 Prozent erhöht.
Was ändert sich in der Pensionskasse?
Die Reform der AHV bringt auch Anpassungen in der zweiten Säule mit sich. Das neue Referenzalter von 65 Jahren für beide Geschlechter wird auch in der beruflichen Vorsorge Anwendung finden. Ab Inkrafttreten der Reform wird die Möglichkeit zur Teilpensionierung in der Pensionskasse neu im Artikel 13a BVG gesetzlich verankert sein, wobei viele Pensionskassen Teilbezüge bereits in der Vergangenheit erlaubt haben. Wie bei der AHV müssen die Pensionskassen den Versicherten zukünftig die Flexibilität für einen Vorbezug ab Alter 63 respektive einen Aufschub bis Alter 70 anbieten. Sie können aber in ihren Reglementen auch vorsehen, dass eine vorzeitige Pensionierung bereits ab Alter 58 möglich ist und so den Versicherten noch mehr Spielraum bieten. Ebenfalls wird im Artikel 13a BVG neu geregelt, dass die Auszahlung der Altersleistung in Kapitalform in maximal drei Schritten zulässig ist. Dabei muss der erste Teilbezug mindestens 20 Prozent der Altersleistung betragen.
Einschränkungen bei Freizügigkeitsgeldern
Bis anhin konnten Freizügigkeitsgelder bis zum Alter 70 ohne weitere Voraussetzungen in der Vorsorge belassen werden. Bei Freizügigkeitsgeldern handelt es sich um Vorsorgegelder, die beispielsweise bei einem Unterbruch der Erwerbstätigkeit oder einer frühzeitigen Erwerbsaufgabe auf einem Freizügigkeitskonto deponiert werden. Der Bundesrat hat nun eine Anpassung der Freizügigkeitsverordnung veranlasst und diese in die Vernehmlassung geschickt. Die Änderungen sollen so weit gehen, dass Freizügigkeitsguthaben nur bei weiterer Erwerbstätigkeit über das Alter 65 hinaus im Kreislauf der beruflichen Vorsorge behalten werden dürfen. Die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit ist erfüllt, wenn die versicherte Person einen entsprechenden Nachweis erbringt – beispielsweise in Form eines Lohnausweises oder eines Arbeitsvertrags. Durch diese Anpassungen werden die Vorschriften für die Weiterführung von Freizügigkeitskonten den Vorschriften der Säule 3a angeglichen. Dies hätte zur Folge, dass der Bezug von Vorsorgeguthaben in unterschiedlichen Steuerperioden erschwert wird. Die Änderung dürfte ohne Übergangsfrist ebenfalls ab 1. Januar 2024 gelten. Unmittelbaren Handlungsbedarf haben insbesondere Personen ohne Erwerbstätigkeit, die über zwei Freizügigkeitskonten verfügen und im Jahr 2024 65 Jahre alt werden oder bereits älter sind. Bei diesen Personen werden im Jahr 2024 die beiden Freizügigkeitskonten zur Auszahlung fällig, was wiederum bedeutet, dass diese für die Besteuerung zusammengerechnet werden. Da nach wie vor die Mehrheit der Kantone eine Progression auf dem Steuersatz für Auszahlungen von Vorsorgegeldern kennt, kann es je nach Wohnort Sinn machen, ein Freizügigkeitskonto noch in diesem Jahr zu beziehen und dann im darauffolgenden Jahr das verbleibende Konto aufzulösen. So lässt sich die Steuerersparnis durch gestaffelten Bezug trotz der Änderung der gesetzlichen Regelung erreichen.
Komplexität nimmt zu
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels in der Schweiz ist die Flexibilisierung des Rentenalters in der AHV sowie auch die neu geschaffene Möglichkeit zum Teilbezug der AHV-Rente sehr zu begrüssen. Arbeitnehmende können sich nun schrittweise aus der Arbeitswelt zurückziehen und bereits einen Teil der AHV-Rente beziehen. Durch die Annahme der AHV-Reform und die Anfang 2024 in Kraft tretenden Änderungen kann das Niveau der Renten und die Finanzierung bis ins Jahr 2030 gesichert werden. Weniger erfreulich für die Versicherten ist die geplante Einschränkung beim Bezug von Freizügigkeitsleistungen. Viele angehende Pensionierte dürften von dieser Einschränkung betroffen sein, was einer Anpassung der Pensionsplanung bedarf. Die Änderungen und die neu geschaffenen Möglichkeiten machen die finanziellen Fragestellungen rund um die Pensionierung noch komplexer. Es ist deshalb empfehlenswert, sich frühzeitig mit dem Thema Vorsorge auseinanderzusetzen, um im Nachhinein keine unerfreulichen Überraschungen zu erleben. Eine Finanzplanung hilft, den Überblick zu behalten und die richtigen Massnahmen zu ergreifen, damit auch im Pensionsalter der gewohnte Lebensstandard weitergeführt werden kann.
(Erstpublikation: Unternehmerzeitung Nr. 1/2023, Februar)