Attraktive Arbeitgebende im Oberwalliser Gewerbe
Wie gelingt es KMU, sich in Zeiten schweren Fachkräftemangels als attraktive Arbeitgebende zu profilieren? Welche Vorteile können sie im Wettbewerb mit grösseren Unternehmen ausspielen? Eine Studie der FFHS in Zusammenarbeit mit Institutionen aus dem Oberwallis liefert interessante Erkenntnisse zur Arbeitgebendenattraktivität aus Sicht der Arbeitnehmenden.
Prof. Dr. Andrea L. Sablone präsentiert Ergebnisse der Studie an einem Podiumsgespräch vor Vertreterinnen und Vertretern des Oberwalliser Gewerbes.
Gewerbeverbände des Oberwallis beschäftigt die dringende Fragestellung, wie die lokalen Unternehmungen ihre Attraktivität als Arbeitgebende behalten oder steigern können. Das Institut für Management und Innovation (IMI) der FFHS hat in Zusammenarbeit mit der Regionalen Wirtschaftsentwicklung für die Region Oberwallis (RWO) eine entsprechende Umfrage konzipiert und durchgeführt. Insgesamt nahmen 561 Arbeitnehmende aus der Region und aus unterschiedlichsten Branchen an der von Prof. Dr. Andrea L. Sablone geleiteten Studie teil.
Schwierige Situation aufgrund des Fachkräftemangels
Im Schweizer Arbeitsmarkt stagniert das Angebot verfügbarer Arbeitskräfte schon länger und war in letzter Zeit sogar rückläufig. Dies betrifft zwar am stärksten die qualifizierten Spezialistinnen und Spezialisten, weitet sich aber zunehmend auch auf andere Arbeitskräfte aus. In einer besonders herausfordernden Lage befinden sich KMU des Oberwallis. Einerseits profitieren sie von der starken Expansion der Grossunternehmen aus der Life-Science-Branche in der Region, da sie lokal eine günstige Konjunktur ermöglichen und den KMU volle Auftragsbücher bescheren. Andererseits leiden die KMU zugleich darunter, dass gerade diese Expansion den Arbeitsmarkt zunehmend austrocknet.
Von links: Prof. Dr. Andrea L. Sablone (Forschungsfeldleiter «Innovation & Strategy» an der FFHS), Nicolas Kuonen (Vorsitzender Netzwerk Gewerbe Oberwallis) und Moderator Bruno Kalbermatter.
Schwierige Situation aufgrund des Fachkräftemangels
Im Schweizer Arbeitsmarkt stagniert das Angebot verfügbarer Arbeitskräfte schon länger und war in letzter Zeit sogar rückläufig. Dies betrifft zwar am stärksten die qualifizierten Spezialistinnen und Spezialisten, weitet sich aber zunehmend auch auf andere Arbeitskräfte aus. In einer besonders herausfordernden Lage befinden sich KMU des Oberwallis. Einerseits profitieren sie von der starken Expansion der Grossunternehmen aus der Life-Science-Branche in der Region, da sie lokal eine günstige Konjunktur ermöglichen und den KMU volle Auftragsbücher bescheren. Andererseits leiden die KMU zugleich darunter, dass gerade diese Expansion den Arbeitsmarkt zunehmend austrocknet.
Attraktive Löhne sind nicht alles
Für das Walliser Gewerbe steht diese Entwicklung unter gemischten Zeichen: Sie trägt dazu bei, dass die Auftragsbücher gefüllt sind, spannt aber gleichzeitig die ohnehin knappen Ressourcen an und entzieht in gewissen Fällen sogar welche. Das attraktive Vergütungsangebot erklärt zu einem grossen Teil die Sogwirkung, die von den grossen Unternehmen ausgeht. Die Ergebnisse der Umfrage liessen hierzu kaum Zweifel offen, denn «mehr Lohn» erwies sich als Favorit unter den Kriterien zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. KMU sind jedoch nur selten in der Lage, dabei mit grösseren Unternehmen zu konkurrieren. Glücklicherweise bedeutet dies aber nicht, dass es keine Hebel gibt, um sich im Arbeitnehmermarkt attraktiv zu präsentieren.
Flexibilität wird stark gewichtet
Flexibilität erwies sich als wirksamer Faktor zur Steigerung der Arbeitgebendenattraktivität. Sie lässt sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen, wie die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung, verschiedene Lohnformen oder eine Kombination aus Tätigkeit vor Ort und Homeoffice sowie das Angebot von Gleitzeiten oder unterschiedliche Beschäftigungsgrade über das Jahr hinweg. Natürlich ist die Flexibilisierung für Arbeitgebende nicht immer nur eine Frage des Wollens. Für Geschäftsleitende von KMU kann es mitunter schwierig sein, Flexibilität zu gewähren, da ihre Betriebe bereits mit begrenzten Ressourcen arbeiten müssen. Jedoch müssen sie abwägen, ob sie lieber auf Mitarbeitende verzichten möchten, die nur Teilzeit arbeiten können oder wollen, oder ob sie sich anders organisieren und Mitarbeitende mit reduziertem Pensum beschäftigen können. Die Antwort ist nicht immer einfach und erfordert von den Geschäftsleitenden unternehmerische Kreativität, die Fähigkeit und den Mut, über das Bestehende hinauszugehen.
Interessante Priorisierungen
Das Thema Arbeitsbelastung landet bei fast allen Alterskategorien unter den vier wichtigsten Kriterien. Die Ausnahme bilden die jüngsten Mitarbeitenden (16–25-Jährige), die eher eine Verringerung der Arbeitszeit wünschen. Am stärksten gewichten die Befragten aus dem Industriesektor die Arbeitsbelastung. Eine wichtige Gruppe von Faktoren lässt sich unter Organisationskultur einordnen. Dazu gehört die Pflege einer aktiven Kommunikation seitens der Geschäftsleitung. Besonders die weibliche Belegschaft legt grossen Wert auf eine professionelle Kommunikation – besonders auch in Kleinstunternehmungen. Dies erscheint zunächst überraschend, sind doch die Distanzen zwischen Leitung und Mitarbeitenden üblicherweise kurz. Es zeigt aber auch, dass Kommunikation nicht per se stets zufriedenstellend erfolgt. Sie bedarf einer bewussten Auseinandersetzung. Eine Multikanalstrategie kann als Ansatzpunkt dienen, indem sie sicherstellt, dass alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Position im Unternehmen erreicht werden. In den Fallstudien, die ergänzend zur Umfrage durchgeführt wurden, fiel auf, dass Geschäftsleitende von attraktiven Arbeitgebenden unter den KMU der Kommunikation viel Bedeutung und Ressourcen widmen. Einige gingen so weit, eine eigene App für die Kommunikation innerhalb der Unternehmung programmieren zu lassen.
Wertschätzung und Individualität zählen oft mehr als Geld
Während die befragten Mitarbeiterinnen die Bedeutung der Kommunikation deutlich betonen, erachten Männer eine angemessene Wertschätzung als ausschlaggebend – vor allem die 36-55-Jährigen und noch stärker Führungspersonen. Dieses Kriterium erreicht bei Grossunternehmen interessanterweise den ersten Platz – noch vor einer besseren Entlohnung. Möglicherweise ist dies mit einer bereits erfolgten Befriedigung des Wunsches nach mehr Lohn zu erklären, lässt aber die Bedeutung der Wertschätzung klar zur Geltung kommen. Was im Konkreten Wertschätzung bedeutet, lässt sich nie pauschal festmachen: Sind es lobende Worte, eine Erwähnung im Firmenbulletin, ein Blumenstrauss oder eine Flasche Wein? Die Ausdrucksformen sind je nach individueller Situation unterschiedlich wirksam.
Auch Innovativität gilt als attraktivitätssteigernder Faktor. Dies dürfte daher rühren, dass Arbeitgebende damit die Fähigkeit ausstrahlen, sich im Wettbewerb nachhaltig zu behaupten. Zudem bietet ein innovatives Unternehmen Mitarbeitenden die Chance, wertvolle Kompetenzen zu erlangen, die für den weiteren beruflichen Erfolg von hoher individueller Bedeutung sein können. In eine ähnliche Richtung geht die Forderung nach Souveränität im Umgang mit neuen Technologien. Sie zeigt sich in der Nutzung der vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung und der Offenheit gegenüber technologischen Fortschritten. Wenig überraschend betonen gerade die 16–25-Jährigen diesen Aspekt.
Das Gesamtpaket bestimmt die Attraktivität
Attraktive Arbeitgebende zeichnen sich nicht durch einen einzigen Faktor aus. Vielmehr bieten sie ihren aktuellen und potenziellen Mitarbeitenden ein Paket von Vorteilen an, die einzeln betrachtet gegenüber anderen Arbeitgebenden nicht zwingend überragend sind, aber in der Summe überzeugend wirken. Die Vorteilspakete hängen von den Möglichkeiten der einzelnen Betriebe sowie von den Neigungen und Vorstellungen der Geschäftsleitungen ab. Führungskräfte zeigen ihre unternehmerische Kreativität also nicht nur darin, wie sie ihre Unternehmen im Markt positionieren, welche Innovationen sie vorantreiben und welche Chancen sie im Markt erkennen, sondern auch in der Gestaltung des Angebots für ihre Mitarbeitenden. Kreativität ist schliesslich auch bei der Kommunikation der Vorteile für bestehende und potenzielle Mitarbeitende gefragt.
Obenstehender Inhalt ist eine Zusammenfassung des Schlussberichts zur Studie sowie einem entsprechenden Fachartikel, der am 26. April 2023 im Magazin «Management und Qualität» (Ausgabe 3–4/2023) erscheint.