«Es geht um eine Kulturveränderung, das braucht Zeit»
In Vorständen von Sportvereinen und -verbänden sollen mehr Frauen sitzen. Das fordert Bundesrätin Viola Amherd im Rahmen der neuen Sportförderungsverordnung. Greta Lüdi hat in ihrer Bachelorthesis die Umsetzung dieser neuen Vorgaben zur Geschlechterdiversität in den Leistungsgremien unter die Lupe genommen. Sie plädiert für weniger Druck und eine angepasste Quote.
Wie gelingt es mehr Frauen für die Sportverbandsarbeit zu gewinnen? Unter anderem dieser Frage ging Greta Lüdi in ihrer Bachelorarbeit auf den Grund.
Noch vor der Abgabe der Bachelorthesis von Greta Lüdi, die an der FFHS ihren BSc in Betriebsökonomie absolvierte, sollte die revidierte Sportförderungsverordnung per 1. Januar 2023 in Kraft treten. Inzwischen ist Bundesrätin Viola Amherd zurückgerudert.
Im Juli 2021 forderte Sportministerin Amherd noch eine fixe Geschlechterquote. Die Vorgabe damals: Wer nicht mindestens 40 Prozent des unterrepräsentierten Geschlechts im Vorstand hat, muss mit der Streichung von Bundesgeldern rechnen. Der ambitionierte Plan stiess in der Vernehmlassung auf heftigen Widerstand. Anfang 2023 reagierte der Bundesrat auf die Kritik. Die verbindliche Quote soll nur noch für den Dachverband Swiss Olympic sowie nationale Sportverbände gelten.
Trotz der Abschwächung der Verordnung bleiben die Sportverbände gefordert. Sie müssen ihre Rekrutierungsstrategien und Nachfolgeregelungen kritisch überdenken, um künftig Geschlechterdiversität in den Leistungsgremien sicherzustellen. «Der Staat ist bei den Sportverbänden der grösste Stakeholder, er kann also schon sagen, wie er es gerne hätte», sagt Lüdi.
Mittels einer quantitativen und qualitativen Forschung untersuchte Lüdi in ihrer Arbeit bei 26 Mitgliederverbänden von Swiss Olympic, die aktuelle Nachfolgeplanung und Rekrutierungsstrategien. Die Datensammlung erfolgte anhand einer Online-Umfrage und leitfadengestützten Einzelinterviews.
Besonderheiten der Branche
Die Ergebnisse zeigen: Die 26 untersuchten Verbände sind geschlechterdivers sehr unterschiedlich aufgestellt. Die Anteile weiblicher Vorstandsmitglieder variieren zwischen 0 und 44 Prozent. Lediglich zwei der untersuchten Sportverbände haben einen ausgewogene Geschlechtervertretung erreicht.
Im Bereich der Sport-Governance sind Geschlechterquoten gemäss Greta Lüdi bis auf wenige Ausnahmen noch ein unerforschtes Feld. Es gibt lediglich eine spanische, sowie eine norwegische Studie, die beide die Auswirkungen von Geschlechterquoten in den Leitungsgremien untersuchten. Beide Studien kommen zum Schluss, dass die gesetzliche Geschlechterquote den Anteil an weiblichen Mitgliedern im Vorstand erhöhte und dass die drohenden Sanktionen bei Nichteinhaltung die Quote wirksam machen.
Die angedachte Geschlechterquote von 40 Prozent für Sportverbände ist für Greta Lüdi zu hoch gegriffen. Sie plädiert für eine angepasste Quote. «Die Quote könnte sich proportional zur Geschlechterverteilung unter den Aktivmitgliedern orientieren», so Lüdi. So werde es in Norwegen gehandhabt und die Erfahrungen damit seien bisher gut.
Ein Geschlechterquote kann ein Erfolgsfaktor sein, um den Anteil der Frauen in Leistungsgremien zu erhöhen und einen Kulturwandel herbeizuführen. Dennoch sollte gemäss Lüdi bei der Einführung einer solchen Quote die Besonderheiten der Branche, wie deren Heterogenität und Strukturen, berücksichtig werden. Bei den Sportverbänden gibt es zwei Besonderheiten, die ins Auge stechen. Dazu Lüdi: «Zu 90 Prozent wird die Vorstandsarbeit ehrenamtlich geleistet. Zudem ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern bei den einzelnen Sportarten sehr unterschiedlich». Bei anderen NPOs sei die Geschlechterdurchmischung mehr vorhanden.
Auswahlgremien für Rekrutierung
Aber wie gelingt es nun, mehr Frauen für die Sportverbandsarbeit zu gewinnen? Die Ergebnisse aus den Interviews und der Befragung haben gemäss Lüdi ergeben, dass die überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden sich durch nicht-monetäre Massnahmen motivieren lassen. Dennoch würden sich Frauen trotz aktiven Ansprechens Vorstandsarbeiten verwehren. Ob dies eher auf die Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Privatem und Ehrenamtlichkeit oder eher auf die vorherrschende «Männerdomäne» in den Sportverbänden zurückzuführen sei, könne nicht abschliessend eruiert werden.
Für die Nachfolgeregelung empfiehlt die Verfasserin den Sportverbänden, Frauen frühzeitig anzusprechen. Geht es nach Lüdi, so könnte es auch hilfreich sein, wenn die Verbände ihren Suchradius erweitern. «Neue Vorstandsmitglieder sind nicht nur im inneren Kreis zu finden. Die Verbandsarbeit gleicht sich, also könnten auch neue Vorstandsmitglieder aus anderen Sportarten in Frage kommen», sagt Lüdi.
Keine Frau möchte am Ende nur die «Quotenfrau» sein. Deshalb hält Lüdi Auswahlgremien für eine gute Variante, wenn es um die Rekrutierung von neuen Vorstandsmitgliedern geht. Ein solches Gremium, könnte anhand vorher festgelegter Kriterien geeignete Kandidatinnen und Kandidaten auswählen. «Nach aussen hätte eine solch neutrale Wahl eine ganz andere Wirkung», erklärt Lüdi.
Die Umsetzungsfrist der angepasstes Sportförderungsverordnung ist sportlich. Zu sportlich für Lüdi. «Es geht um eine Kulturveränderung, das braucht Zeit». Börsencodierten oder staatsnahen Betrieben gebe der Bund bis zu fünf Jahre Zeit für eine bessere Geschlechterdurchmischung. Auch bei der Sportförderungsverordnung sollte sich der Staat gemäss Lüdi mehr Zeit lassen, auch was die Sanktionen betrifft. «Strenger können sie immer noch werden», so Lüdi.