«KI eignet sich besonders in den frühen Phasen der Rekrutierung»
Braucht es beim Bewerbungsgespräch bald keine HR-Verantwortlichen mehr? Florian Witschi hat in seiner Bachelorarbeit im Studiengang Wirtschaftsinformatik untersucht, in welchen Bereichen des Rekrutierungsprozesses künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann.
Gemäss Wirtschaftsinformatiker Florian Witschi sind die sozialen Kompetenzen eines Bewerbers enorm wichtig.
Florian Witschi arbeitet selbst als Recruiting Partner bei einem Schweizer Energiekonzern. Dort beschäftigt er sich seit kurzem mit dem Einsatz von KI im Rekrutierungsprozess. Deshalb war für ihn schnell klar, dass er sich in seiner Bachelorarbeit mit diesem Thema auseinandersetzen würde. «So konnte ich mein Studium mit meinem Arbeitsalltag verbinden.»
Ziel der Bachelorarbeit war es, ein umfassendes Verständnis dafür zu entwickeln, wie KI-Technologien den Rekrutierungsprozess optimieren können und welche technischen Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Dazu führte Witschi eine Literaturanalyse durch, um den aktuellen Stand der Forschung zu ermitteln und theoretische Grundlagen zu schaffen.
Vorselektion und Social Media Check
KI im HR-Bereich ist noch wenig erforscht. Dies ist laut Witschi insofern erstaunlich, als im Personalmanagement eigentlich sehr grosse Datenmengen an Informationen über die Mitarbeitenden zur Verfügung stünden. Heute nutzen erst einige grosse Technologieunternehmen wie Google oder IBM diese Daten, um Prognosen über Fluktuation, Absenzen oder andere Personalkennzahlen zu erstellen.
Mit seiner Literaturanalyse, für die Witschi Schlüsselwörter definierte, nach passenden Quellen suchte und die Ergebnisse zusammenfasste, konnten KI-Anwendungen für alle Phasen der Personalrekrutierung gefunden werden. «Die meisten Anwendungsbeispiele wurden bei der aktiven und passiven Suche nach potenziellen Kandidaten und Kandidatinnen sowie bei der Analyse von Bewerbungsunterlagen gefunden. In diesen Bereichen gibt es auch bereits viele Praxisbeispiele und auch die Akzeptanz auf Seiten der Bewerbenden ist am höchsten», so Witschi.
Konkret sehen die Expertinnen und Experten das grösste Potenzial für KI im Rekrutierungsprozess noch im Bereich der Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern sowie in der automatischen Analyse von Bewerbungsunterlagen.
Witschi hat seine Auswertungen in einem Konzept festgehalten. Darin erläutert er, welche konkreten KI-Anwendungen in den einzelnen Prozessphasen zum Einsatz kommen könnten. Beispielsweise könnte in der Bedarfsanalyse ein Chatbot die Korrespondenz mit den Bewerbenden übernehmen. In der Vorselektion wäre es möglich, KI für Social-Media-Checks zu nutzen, im Interview für die Terminkoordination und im Onboarding für die automatisierte Vertragserstellung.
KI kann Lebensläufe prüfen, aber nicht die sozialen Kompetenzen eines Bewerbers. Gerade diese spielen aber eine wichtige Rolle. Dazu sagt Witschi: «Deshalb habe ich im Endergebnis meiner Arbeit, dem Konzept für den Einsatz von KI im Recruiting, auch auf KI-Interviews verzichtet, weil hier der Faktor Mensch noch zu wichtig ist». Technisch wäre es bereits machbar, erklärt Witschi weiter, in der Praxis gebe es aber noch kaum Beispiele. Auch die Tiefe solcher Gespräche sei derzeit noch eher bescheiden und begrenzt, gebe aber einen Vorgeschmack auf das, was in Zukunft möglich sein werde.