Eine Bachelorarbeit, die unter die Haut geht
Im 21. Jahrhundert scheinen Tätowierungen allgegenwärtig zu sein– sind sie damit auch salonfähig? Fabian Senglaub ist in seiner Bachelorarbeit der Frage nachgegangen, ob tätowiertes Servicepersonal in der Gastronomie anders wahrgenommen wird. Seine Untersuchung geht unter die Haut, mit überraschenden Ergebnissen.
Fabian Senglaub zeigte in seiner Umfrage den Teilnehmenden jeweils vier Fotos - zwei jeweils fast identische von einer weiblichen und einem männlichen Mitarbeitenden in der Gastronomie. Hier jenes mit der sichtbaren Tätowierung. (Foto: zvg)
Tätowierungen sind heute nicht nur bei Schauspielenden, Sportlerinnen oder Musikern verbreitet. Eine Umfrage hat ergeben, dass rund jeder vierte Erwachsene über 30 Jahre in der Schweiz mindestens eine Tätowierung hat, bei den unter 30-Jährigen gibt sogar jeder Zweite an, tätowiert zu sein. Menschen mit Tätowierungen scheinen im öffentlichen Raum nicht mehr aufzufallen.
Doch wie sieht es mit sichtbaren Tätowierungen am Arbeitsplatz aus? «Gäste nehmen Servicepersonal mit sichtbaren Tätowierungen als signifikant weniger seriös und freundlich wahr», sagt Fabian Senglaub, Absolvent des BSc Betriebsökonomie an der FFHS. Für seine Bachelorarbeit ging er der Frage nach: Beeinflussen Tätowierungen die Wahrnehmung von Servicepersonal?
Körperschmuck im Arbeitsalltag
In vielen Branchen gibt es klare Regeln zum Thema Tätowierungen. So schreiben viele Schweizer Banken ihren Mitarbeitenden mit direktem Kundenkontakt bis heute vor, dass Tätowierungen nicht sichtbar sein dürfen. Und eine grosse amerikanische Studie hat gezeigt: In den drei Berufsgruppen Medizin, Bankwesen und Recht werden Mitarbeitende mit sichtbaren Tätowierungen als weniger kompetent wahrgenommen.
Fabian Senglaub hat früher in der Hotellerie gearbeitet, und schon damals waren Tätowierungen in der Branche ein umstrittenes Thema. Zahlreiche Studien hätten sich mit Körperschmuck und dessen Wahrnehmung im Arbeitsalltag beschäftigt, so Senglaub. In der Schweiz gab es jedoch keine Untersuchung darüber, ob Gäste in Restaurants sichtbar tätowiertes Servicepersonal anders wahrnehmen als nicht tätowiertes. Dieser Frage wollte Senglaub mit seiner Bachelorarbeit nachgehen. Er selbst ist nicht tätowiert: «Damit gehöre ich gefühlt zu einer Minderheit».
Zur Erhebung der notwendigen Daten führte Senglaub ein mehrfaktorielles Vignetten-Experiment mittels einer Onlinebefragung durch. Nach Abschluss der Befragung wurden die Daten mithilfe einer Statistik-Software analysiert.
Und hier jenes Bild ohne Tätowierungen. (Foto: zvg)
Selbst tätowierte Leute überraschend kritisch
Obwohl die Literaturrecherche, die Senglaub im Vorfeld der Online-Befragung durchgeführt hatte, es bereits vermuten liess, war er dennoch von den eindeutigen Ergebnissen überrascht: Servicepersonal mit sichtbaren Tätowierungen wird als weniger seriös und freundlich wahrgenommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um männliches oder weibliches Servicepersonal handelt. Generell werden Männer jedoch als seriöser wahrgenommen als Frauen. «Und die selbst Tätowierten waren im Gegensatz zu den anderen Gruppen dem Servicepersonal mit sichtbaren Tattoos gegenüber sogar sehr kritisch eingestellt. Das hatte ich so nicht erwartet», erklärt Senglaub.
Das Durchschnittsalter der 162 Personen, die an der Umfrage von Senglaub teilnahmen, betrug 38 Jahre. Das Minimum lag bei 16 Jahren, das Maximum bei 73 Jahren. Die Geschlechterverteilung war nahezu ausgeglichen. Von den 162 Befragten gaben 50 an, selbst tätowiert zu sein.
Offene Fragen
Für Fabian Senglaub ist klar: Es gibt noch viele offene Fragen rund um das Thema, denen man nachgehen könnte. Zum Beispiel, ob tätowierte Servicekräfte in der Filiale einer Fast-Food-Kette anders wahrgenommen werden als in einem Drei-Sterne-Restaurant, ob es Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Gästen gibt, konkret, ob ältere Gäste kritischer sind oder ob weibliche Servicekräfte generell eher auf ihr Äusseres reduziert werden.
Die statistische Auswertung war für Senglaub bei der Bachelorarbeit die grösste Herausforderung, wie er rückblickend sagt. Doch als die Ergebnisse vorlagen, überwog die Freud. «Ich empfehle allen Studierenden, die in Statistik noch nicht so fit sind, das Kursangebot der FFHS zu nutzen», rät Senglaub.