20.01.2025

What I Eat In A Day – Influencer-Videos im Ernährungscheck

Neues Jahr, neue Vorsätze − viele wollen sich gesünder ernähren und stolpern dabei auch über «What I Eat In A Day»-Shorts in den sozialen Medien. Anna Vollenweider hat solche Kurzvideos von Influencerinnen für ihre Bachelorarbeit im Studiengang Ernährung und Diätetik untersucht. Für die Expertin ist klar: Die gezeigten Ernährungspläne können als Inspiration dienen, sollten aber nicht eins zu eins kopiert werden.

Wie kamen Sie auf die Idee für Ihre Bachelorthesis?
Mir war bereits vor meiner Themensuche für die Bachelorthesis klar, dass ich mein eigenes Thema suchen wollte, damit ich vollständig hinter der Arbeit stehen kann und mein Interesse daran grösstmöglich ist. Da ich selbst auch in sozialen Netzwerken unterwegs bin und die Algorithmen sich meinen Interessensgebieten von Ernährung, Gesundheit und Sport angepasst haben, bin ich regelmässig über Videos oder Beiträge gestolpert, welche Ernährungswissen oder -gewohnheiten aufzeigten. Kombiniert mit meinem ausgeprägten Interesse der Verhaltenspsychologie erkannte ich sehr schnell, wie solche Beiträge, vor allem für vulnerable Gruppen wie junge Menschen mit dem Drang zur Zugehörigkeit oder der Bestätigung, das Verhalten und die Denkweise beeinflussen können. Deshalb wollte ich erforschen, welche Inhalte und Aussagen, explizit sowie implizit im Bereich der Ernährung an die Nutzenden der sozialen Medien weitergegeben werden. Die Wahl des Bereichs Sport und Fitness wählte ich bewusst, da in diesen Kreisen neben der Gesundheit und der Performance auch oft das Körperbild im Zentrum steht.

Bei diesen «What I Eat In A Day»-Videos bleibt man einfach hängen?
Ja,Ernährung ist ein Thema, welches in unser aller Leben mehrmals täglich präsent ist; wir müssen uns damit dauernd auseinandersetzen. Deshalb findet man über dieses Thema schnell den Zugang zu den Menschen. Manche «What I Eat In A Day»-Videos erregen auch Aufmerksamkeit entweder über überraschende und provokative Aussagen, ästhetische Präsentationen oder auch das Zeigen von leicht bekleideten Körpern. Oder aber wir wollen uns mit den Inhalten identifizieren und unseren Idolen in den sozialen Netzwerken nacheifern.

Sie haben für Ihre Bachelorarbeit 28 Videos von acht Influencerinnen untersucht, was haben sie alle gemeinsam?
Alle Influencerinnen zeigten in ihren Videos eine bunte Vielfalt an Lebensmitteln, viele davon wenig bis unverarbeitet. Oft wurde eine grosse Vielfalt an Obst und Gemüse gezeigt, davon auch einige sogenannte «Superfoods» wie Avocado, Salat, Blau- und Erdbeeren, Erdnüsse, Haferflocken, Tomaten und Eier. Generell enthielten die Shorts wenig stark verarbeitete Produkte oder tierische Produkte. Was ich noch festgestellt habe, ist, dass 90 Prozent der Shorts mit der Darstellung des posierenden Körpers der Influencerin beginnen, meist in kurzer, enger Sportbekleidung und bauchfrei oder im Bikini. Dabei entsprechen sämtliche Körperdarstellungen dem westlichen Schönheitsideal einer schlanken, sportliche Frau mit einem tiefen Körperfettanteil.

Wie sieht es mit Proteinen aus? Bei den Influencerinnen sicher auch bevorzugt?
Proteine waren in den meisten Videos sehr präsent. Die Transkription zeigte auf, dass «Protein» 29-mal erwähnt wurde, was ihn zum meistgenannten Begriff machte. Protein wurde in Zusammenhang mit Shake, Pancakes, Riegel, Wrap, Waffel oder auch Pizza genannt. Der Makronährstoff Protein spielt eine zentrale Rolle im menschlichen Körper für den Erhalt von Muskelmasse und -funktion, welcher bis ins hohe Alter die Gesundheit prägt sowie auch als Teil unseres Immunsystems. In Sport- und Fitnesskreisen kann das Protein stark im Fokus stehen, da vermehrt ein Muskelaufbau erreicht werden möchte und somit die Proteinzufuhr höher angesetzt wird als bei der Durchschnittsbevölkerung.

Entsprechen die Aussagen in diesen «What I Eat In A Day»-Videos der wissenschaftlichen Evidenz?
Keine der Influencerinnen wies eine Ausbildung im Bereich der Ernährung auf und wäre daher qualifiziert, ernährungswissenschaftliche Aussagen zu machen. Generell wurden in den Videos wenig Aussagen gemacht, welche wissenschaftlich überprüft werden müssten. Diejenigen Aussagen, welche gemacht wurden, konnten jedoch in keinem der Videos mit Quellen hinterlegt oder begründet werden – vielmehr wurden sie implizit gemacht, mit Aussagen wie beispielsweise «Was ich für meine Hautgesundheit esse». Abschliessend kann somit nicht gesagt werden, ob alles Aussagen der Evidenz entsprechen – es gab jedoch auch keine vollständig aus dem Dunklen gegriffenen Aussagen zu der Ernährung.

Ausgewogene Ernährung zu präsentieren ist eigentlich etwas Positives?
Absolut, dies ist auf jeden Fall wünschenswert. Jedoch sehe ich eine Problematik dann, wenn die Ernährung einen Grossteil der Gedanken im Tag ausmacht, Essensregeln die Lebensmittelauswahl prägen, die Essgewohnheiten anderer 1:1 kopiert werden und das ganze Thema zu viel Raum einnimmt, dass es zu einer Belastung führen kann. Eine Einteilung von Lebensmittel in gesund und ungesund kann bereits der Beginn eines ungesunden Essverhaltens sein und solche Kategorisierungen sind nicht einfach, loszuwerden. Damit meine ich, dass der physiologische Aspekt der Ernährung ebenso wichtig ist wie der psychische Aspekt.

Soziale Medien beeinflussen vor allem Jugendliche. Gibt es schon Forschungen dazu, wie sehr die sozialen Medien das Essverhalten beeinflussen?
Das Thema soziale Medien ist noch nicht lange Bestandteil der Forschung, auch aus dem Grund, dass die Plattformen sich laufend an die Bedürfnisse der Nutzenden anpassen. Trotzdem gibt es seit einigen Jahren vermehrt Forschungsarbeiten, welche sich dem Thema widmen. Die Beeinflussung der Jugendlichen konnte mehrfach bestätigt werden und auch Zusammenhänge zwischen der Nutzung von sozialen Medien und der Entstehung von Essstörungen konnten hergestellt werden. Jugendliche werden über die sozialen Medien in ihrem Ernährungsverhalten eher beeinflusst, da sie in diesem Zeitraum ihre Persönlichkeit entwickeln und entdecken.

Was würden Sie Jugendlichen empfehlen? Wie können sie kritisch solche Videos schauen?
Es ist schwer, eine allgemeine Empfehlung auszusprechen. Ich wünschte, dass ein ausgewogenes Ernährungsverhalten ohne Ziele, wie der Körper auszusehen hat, entstehen kann und dass Jugendliche sich ihrer Individualität bewusst sind und dieser auch dankbar sind. Beim Schauen solcher Videos soll immer im Hinterkopf behalten werden: Dies sind Influencerinnen, sie verdienen ihr Geld mit ihren Inhalten, nutzen oft ihren Körper als Aushängeschild, haben den ganzen Tag Zeit, ihre Mahlzeiten zuzubereiten und zu präsentieren, genügend Kapazität, ins Training zu gehen und meist ausreichend finanzielle Mittel, um ihr Aussehen anzupassen. Wichtig auch, dass Genetik eine grosse Rolle spielt und selbst wenn ich das exakt gleiche essen würde, ich selbst nie, wie die Influencerin aussehen könnte – und das ist auch gut so, um unsere Individualität zu bewahren.

Zur Methodik

Anna Vollweider untersuchte Kurzvideos, sogenannte «Shorts» auf Youtube. Sie sammelte 67 Shorts von acht Influencerinnen aus dem Sport- und Fitnessbereich mit mindestens 100'000 Followern und teilte diese in Jahreszeiten ein. Pro Jahreszeit suchte sie per Zufallsgenerator sieben Shorts aus, womit schlussendlich 28 Shorts zur Analyse vorlagen. Auf der Basis einer Literaturrecherche erstellte Vollenweider einen Kriterienkatalog, mit welchem sie Text, Ton und Bild der Videos analysieren konnte, nachdem diese transkribiert waren. Der Kriterienkatalog enthielt in unterschiedlichen Bereichen Codes wie beispielsweise «vegan» oder «proteinreich» im Kriterium Ernährungsform, «intuitiv» oder «Genuss» im Kriterium Essmotive oder Sportaktivitäten oder den Beruf im Kriterium Lifestyle. Somit konnten die einzelnen Codes den Shorts zugeordnet sowie qualitativ und quantitativ analysiert werden.