13.10.2023

«Einige Studierende nutzen KI intensiv, andere gar nicht»

Prof. Dr. Tobias Häberlein, Leiter des Departements Informatik über die Erfahrungen, welche die FFHS bis jetzt mit KI gemacht hat und warum er allen rät, offen aber gleichzeitig kritisch zu bleiben.

Studierende haben eine neue Mitstudentin – die Künstliche Intelligenz (KI). Seit Anfang 2023 besonders beliebt die Software ChatGPT. Für Universitäten und Fachhochschulen ist der Umgang mit dem Chatbot, der Essays und Bachelorarbeiten schreiben kann oder Mathematikaufgaben löst, schwierig. Tobias Häberlein leitet die Arbeitsgruppe KI an der FFHS und gibt im Interview einen Zwischenstand, wo die FFHS im Umgang mit KI im Unterricht steht.

Tobias Häberlein, gab es seitens der neuen Studierenden vor ihrem Studienstart im Herbst viele Fragen zum Umgang mit KI?
Von den Studierenden gab es praktisch keine Anfragen im Zusammenhang mit ChatGPT oder KI. Von den Dozierenden umso mehr. Ihre Fragen drehten sich vor allem um die Prüfungen und Bewertungen der Semester-, Bachelor-, oder Masterarbeiten. Was wir wissen: die Schere zwischen den Studierenden ist riesig, von jenen die ChatGPT intensiv nutzen und jenen die es gar nicht anwenden. Dasselbe sehen wir bei den Dozierenden. Einige bauen KI-Tools bereits in ihren Unterricht ein, andere meiden sie komplett.

Wie hat KI das Studienjahr von Anfang Jahr bis zur Diplomfeier im September geprägt?
Es gab einige Dozierende, die sich beschwert haben, dass Semester- oder Bachelorarbeiten komplett mit Hilfe von ChatGPT geschrieben worden seien. Es ist davon auszugehen, dass es tatsächlich solche gab, aber wie hoch der Anteil tatsächlich ist, können wir nicht sagen und ist schwer nachweisbar.

Es heisst, KI mache Studierende nicht schlauer, sondern nur schneller?
Die Studierenden überlegen sich zurzeit sicher, wie intensiv sie ChatGPT im Studium nutzen können und wie viel Arbeit es ihnen abnehmen kann. In den meisten Studiengängen gibt es Module, wo die Studierenden die Grenzen ausreizen können, in anderen ist KI weniger gut anwendbar.

Werden Studierende, die KI nicht nutzen, einen Nachteil haben?
Wir können und wollen generative KI-Tools an der FFHS nicht verbieten. Wir bereiten die Studierenden auch auf einen weiteren Abschnitt in ihrem Berufsleben vor, in dem sie solche Tools brauchen werden und die ihnen viel Arbeit abnehmen. Wir animieren die Studierenden diese Tools zu nutzen. Alle, welche sie nicht nutzen, könnten im Nachteil sein.

Die Dozierenden müssen also in Sachen KI fit sein?
Auf jeden Fall und deshalb soll es einen Kurs für die Dozierende geben. Wir wollen, dass sie so gut oder noch besser Bescheid wissen über die einzelnen KI-Tools wie die Studierenden. In diesem Kurs werden sicher auch die Prüfungen und die Bewertung von schriftlichen Arbeiten ein Thema sein.

In Zukunft müssen Semester- oder Bachelorarbeiten komplett anders gelesen werden?
Bisher ging die Bewertung bereits nach dem Lesen der ersten Abschnitte in eine positive oder negative Richtung, quasi nach dem ersten Eindruck. Das ist nun vorbei. Denn KI-Tools können auch hervorragend schreiben oder fachliche Fragen gut beantworten. Sich auch weiterhin auf sein Bauchgefühl zu verlassen, ist eine schlechte Idee.

Die FFHS hat eine Arbeitsgruppe für den Umgang mit KI-Tools gegründet. Welche spruchreifen Massnahmen konnten bisher erarbeitet werden?
Der Kurs für Dozierende ist sicher eine solche Massnahme. Als Fernfachhochschule sind wir von dem ganzen Thema sicher stärker betroffen als eine Präsenzuniversität oder -fachhochschule. Der mündliche Prüfungsteil wird wohl künftig erhöht werden müssen. Noch vor zwei Jahren undenkbar aber nun im Bereich des Machbaren wären digitale Lernassistenten, welche mit den Studierenden über Modul-spezifische Inhalte chatten können. Andererseits müssen wir KI stets kritisch hinterfragen, sowohl ihre Auswirkungen auf unser Leben als auch die konkreten Antworten, die sie uns gibt: Dadurch, dass diese sich immer sehr gut anhören, neigen wir dazu, ihnen übermässig zu trauen.