KI in der Bildung
Die grosse Revolution im Bildungswesen steht an. KI verändert die Art, wie wir lernen und unterrichten. Dies stellt Hochschulen vor grosse Herausforderungen. Wie die FFHS dazu steht, was sie tut und was sie plant – drei Fragen zu KI im Hochschulwesen.
Das Ziel des KI-Kurses: Dozierende sollten neue Impulse mitnehmen können. (Foto: FFHS)
1. Wie können wir die Leistungen von Studierenden prüfen und bewerten?
Dass ganze Abschlussarbeiten durch ChatGPT verfasst werden – ein Horrorszenario für jede Hochschule. Dennoch lebt die FFHS die Philosophie, dass wir generative KI nicht verbieten können. Daher hat sie Richtlinien für die Verwendung von KI bei unbeaufsichtigten Prüfungen, also etwa schriftlichen Semester- oder Abschlussarbeiten, definiert. «Der Einsatz von KI ist erlaubt, darf jedoch den wissenschaftlichen Prozess nicht stören», sagt Prof. Dr. Tobias Häberlein, Departementsleiter Informatik und Leiter der Arbeitsgruppe KI an der FFHS.
Das heisst, dass KI-Tools genutzt werden dürfen oder sogar sollen, wenn es etwa um die Ideenfindung geht, um die Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses oder zur Unterstützung bei Formulierungen. Die benutzten Tools müssen im Hilfsmittelverzeichnis angegeben werden. «Wir wollen, dass die Studierenden die Kompetenzen im Umgang mit KI erwerben, schliesslich werden sie das Szenario auch später im Beruf erleben», so Häberlein. Doch wie lässt es sich dann verhindern, dass ChatGPT nicht die komplette Arbeit übernimmt? Stand heute ist es quasi unmöglich, den Einsatz von KI zuverlässig nachzuweisen, auch wenn es bereits einige Tools dazu gibt.
Gemäss Häberlein sei KI jedoch (noch) nicht in der Lage, den grossen Bogen zu spannen, den es für eine wissenschaftliche Arbeit braucht. «Man erkennt sehr gut, wenn KI für die Erstellung einer Thesis unreflektiert verwendet wurde.» So kann die KI ein Inhaltsgerüst erstellen und Literatur recherchieren, aber das «Befüllen» und den roten Faden durchzuziehen, das kann sie noch nicht. Inkonsistente Kapitel oder eine uneinheitliche Terminologie sind gemäss Häberlein Hinweise, die den Betreuenden einer Arbeit auffallen müssen. «Die Art und Weise, wie wir Thesen lesen, ist elementar.»
Dennoch werden KI-Anwendungen sich weiter verbessern und das Prüfungswesen wird sich daran anpassen müssen. Beispielsweise indem mehr projektbezogen oder mündlich geprüft wird. Wenn eine KI gut oder sogar besser programmieren kann, wieso muss es der Mensch überhaupt noch können? «Natürlich müssen wir gerade heute die Grundlagen beherrschen, aber wir müssen uns auch fragen, welche Kompetenzen die Studierenden in Zukunft benötigen», sagt Häberlein.
2. Wie kann ein digitaler Lernassistent Studierende motivieren?
Erinnern wir uns an unsere Grundschulzeit: Eine Klassenarbeit wird geschrieben und abgegeben, vier Wochen später kommt die Arbeit mit den Korrekturen zurück. Nach so langer Zeit und ohne unmittelbares Feedbackist der Lerneffekt gering, eher gleich null. «Ein digitaler Lernassistent könnte unseren Studierenden innerhalb von Sekunden ein direktes Feedback zu einer Aufgabe geben. Der Lerneffekt wäre gross und das würde die Studierenden zusätzlich motivieren», ist Tobias Häberlein überzeugt.
Zurzeit haben die Studierenden die Möglichkeit, offene Fragen im Forum ihres Moodle-Kurses zu stellen. Dort erhalten sie Antworten von Dozierenden oder Kommilitonen. Aber das Departement Informatik hat eine Vision: Ein digitaler Lernassistent, der den Studierenden seine Hilfe anbietet. Dieser soll sie vor allem während der Selbstlernphase unterstützen. Dazu Häberlein: «Im Idealfall würde ein solcher Lernassistent den bisherigen Lernprozess der Studierenden kennen. Er wüsste, wo er bei ihnen ansetzen, worauf er aufmerksam machen oder wo er sie zusätzlich motivieren muss – adaptives Lernen 2.0 sozusagen».
«Die Daten müssen unter unserer Kontrolle bleiben.»
Noch vor zwei Jahren waren die Sprachmodelle, die für solche Assistenten benötigt werden, zu klein und nicht frei verfügbar. Das hat sich geändert, die heute verfügbaren, bereits vortrainierten grossen Sprachmodelle wären nun eine probate Möglichkeit. «Wir brauchen aber ein lokales, abgeschirmtes Modell, weil wir viele sensible Daten haben. Unsere Ausgangssituation ist sehr gut. Durch unser Blended-Learning-Modell haben wir mit der Moodle-Plattform bereits eine sehr gute Datenbasis», erklärt Häberlein.
Das Large Language Model für den geplanten Lernassistenten muss also nicht neu trainiert, sondern nur mit Daten gefüttert werden. Dafür gibt es laut Häberlein bereits eine Technik, die Retrieval Augmented Generation (RAG). Mit dieser Technik kann das Sprachmodell auf vorhandene Daten reagieren. Dank RAG können die Ergebnisse eines grossen Sprachmodells auch qualitativ verbessert werden. Die Entwicklung eines solchen digitalen Lernassistenten könnte ausgelagert werden, für das Departement Informatik ist dies aber keine Option. «Die Daten müssen unter unserer Kontrolle bleiben. Bei der Anwendung dieses Sprachmodells können wir zudem unsere Erfahrungen einbringen, denn es sind auch genau diese Themen, für die wir künftig vermehrt Module anbieten wollen», betont Häberlein.
Der digitale Lernassistent für die FFHS befindet sich in der Vorprojektphase, noch sind einige Punkte offen wie zum Beispiel mögliche Partner oder auch die Finanzierung.
3. Wie macht die FFHS Dozierende fit für KI?
Die Dozierenden waren sich einig: Dank KI fallen einige Aufgaben weg. Dadurch bleibt mehr Zeit für kreative Aufgaben. Über diese und andere Erfahrungen tauschten sich die Teilnehmenden an den Kursen für Dozierende «KI in der Lehre» aus, welche die FFHS im Februar und März organisierte. «Unsere Dozierenden müssen in Sachen künstliche Intelligenz fit sein, möglichst sogar mehr wissen als die Studierenden. Grundsätzlich gilt: Nur wer KI selbst anwendet, weiss auch wie man damit umgehen muss», erklärt Tobias Häberlein, Initiant und Mitentwickler des KI-Kurses für Dozierende. Bei dem Basis-Kurs wurden in verschiedenen Workshops ganz konkrete Anwendungsfälle von KI in der Lehre geübt. Und offene Fragen geklärt, etwa in welchen Bereichen der Lehre KI eingesetzt werden kann, wie man präzise Prompts schreibt oder wie unbeaufsichtigte Prüfungen angemessen bewertet werden könnten, wenn generative KI als Hilfsmittel verwendet wird. «Ein kritischer Umgang mit generativer KI hat nach wie vor oberste Priorität und die wissenschaftliche Arbeitsweise darf nicht darunter leiden», fasst Häberlein zusammen. Die Dozierenden, vielleicht auch solche, die KI gegenüber eher kritisch eingestellt sind, sollten aus diesem Kurs neue Impulse mitnehmen können.
Dr. Sandro Olveira, Fachbereichsleiter Corporate Sustainability and Green Technologies, erstellt beispielsweise mit Hilfe von ChatGPT Begrüssungstexte für die Studierenden oder greift bei der Erstellung von Modulen auf generative KI zurück. «Ich brauche KI, um ein Quiz auf unserer Lernplattform Moodle zu erstellen. Was früher zeitaufwendig und mühsam war, geht jetzt ganz einfach und schnell», erklärt Cindy Eggs, Dozentin für Digital Business. Für Prof. Dr. Joachim Steinwendner, Professor für Digitale GeoHealth an der FFHS, war vor allem der Austausch mit anderen Dozierenden bei den Workshops wertvoll: «Ich konnte meine bisherigen Erfahrungen mit denen der anderen Teilnehmer vergleichen und etwas dazu lernen». Mit KI-Tools würden Aufgaben heute oft bereits gelöst, so Steinwendner, die Studierenden kämen gar nicht mehr in den Akt des Lernens. «Trotz aller Tools muss es unser Ziel bleiben, ihnen noch etwas beizubringen.»