«Nachhaltigkeit ist ein Luxusgut»
Ruth Westrick arbeitet im Kongo und hilft dort, einen Nationalpark touristisch zu entwickeln. Im Januar hat sie an der FFHS den Master in Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft abgeschlossen. In ihrem Studium und ihrer Arbeit in Afrika treffen ganz unterschiedliche Blickwinkel zur Nachhaltigkeit aufeinander.
Faszination Tierwelt: Ruth Westrick wagte 2016 den Schritt, in Afrika zu arbeiten (Bild: ZVG)
Eine gute Internetverbindung ist nicht überall auf der Welt eine Selbstverständlichkeit. Das wird klar, wenn man mit Ruth Westrick spricht. Im Online-Interview schaltet sie kurz nach der Begrüssung ihre Webcam aus, um das Netz nicht zu überlasten. Westrick kennt die kleinen Tricks, schliesslich hat sie ihr Masterstudium in den letzten Semestern komplett online von Afrika aus gemeistert. Seit Januar 2023 arbeitet sie in der Demokratischen Republik Kongo als Commercial Manager im Nationalpark Garamba. Der Park im Nordosten des Landes ist das einzige Gebiet des Ostkongos, das derzeit als sicher gilt. Ruth Westrick gibt zu: «Es ist nicht gerade die erste Touristendestination». Ihr Job ist es, als Commercial Manager den Park touristisch zu entwickeln und Einnahmequellen für die lokale Bevölkerung zu finden.
Der 5'100 Quadratkilometer grosse Garamba Park existiert bereits seit 1938, es ist der drittälteste Nationalpark Afrikas. Doch kriegerische Konflikte und Wilderei haben die Region arg gebeutelt. «Vor 40 Jahren gab es hier 20'000 Elefanten, heute sind noch 1'500 übrig. Nashörner wurden 2006 ausgerottet», so Westrick. Der Park gilt heute jedoch als sicher und ist rund um die Uhr bewacht. Nun geht es darum, den Park in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung wiederaufzubauen. Strassen und Unterkünfte sollen angelegt und Wildtiere wieder angesiedelt werden. «Dieses Jahr fliegt unsere Organisation 64 Nashörner von Südafrika in den Kongo, eine logistische Riesenoperation».
Kordofan-Giraffen im Garamba Nationalpark (Foto ZVG)
Ruth Westrick (links) kauft mit zwei ihrer Camp-Köchinnen auf dem lokalen Markt ein. (Foto ZVG)
Die Breitmaulnashörner wurden 2006 in Garamba durch Wilderei ausgerottet. 2023 wurden 16 Tiere von Südafrika nach Garamba umgesiedelt. Dieses Jahr sollen 64 Tiere folgen. (Foto: ZVG)
«Nachhaltigkeit ist die Zukunft»
Westrick ist bei der Naturschutzorganisation «African Parks» angestellt, die in 12 afrikanischen Ländern tätig ist. Der Garamba Park finanziert sich derzeit ausschliesslich aus Spendengeldern, doch Westrick sieht im lokalen Tourismus Potenzial. Im Kongo gebe es durchaus Personen, die es sich leisten können zu reisen: «Dieser Tourismus ist nachhaltiger als eine internationale Kundschaft zu holen, die einmal im Leben für eine Safari eine weite Flugstrecke zurücklegt».
Die Grundsätze nachhaltiger Wirtschaft kennt Westrick aus ihrem Studium. 2022 lancierte die FFHS den Master in Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, komplett online und in englischer Sprache. Perfekt für Westrick, die zu diesem Zeitpunkt bereits mitten im Masterstudium mit Vertiefung Innovation Management steckte und ins neue Modell wechselte. Sie sagt: «Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind die Zukunft».
«An einer anderen Schule hätte ich definitiv nicht studieren können.»
Schon ihr Bachelorstudium hat die gebürtige Spiezerin berufsbegleitend an der FFHS absolviert. Vor ihrer Zeit in Afrika war sie 13 Jahre lang im Head Office beim Reiseunternehmen Globetrotter tätig. Zur Leidenschaft fürs Reisen kam die Faszination für Afrika hinzu und so wagte sie 2016 den Schritt, in Afrika zu arbeiten. Vier Jahre lang leitete sie in zwei Nationalparks in Sambia Luxus Safari Camps, bevor Covid sie zur Rückkehr in die Schweiz zwang.
Studieren aus allen Teilen der Welt
Den Master absolvierte sie anfangs im Amazonas, dann in der Schweiz, nach der Pandemie auf Reisen in Kolumbien und in Kanada und zuletzt im Kongo. «An einer anderen Schule hätte ich definitiv nicht studieren können», lacht sie. Das Onlinestudium war hin und wieder eine Herausforderung, etwa als bei einer mündlichen Prüfung wegen eines Gewitters der Strom ausfiel. «Durch Batterien wurde wenigstens die Internetleitung aufrechterhalten, aber das Licht war weg. Ich habe dann mit der Taschenlampe mein Gesicht beleuchtet, damit der Dozent mich immerhin sehen konnte», erinnert sie sich schmunzelnd.
Rückblickend sind es die Nachhaltigkeitsmodule, die ihr im Studium am meisten gefallen haben. Auch wenn sie viele Aspekte ganz anders erlebt: «Wir haben viel über modernes Management und Leadership gesprochen, über Gleichstellung und Diversity. Das ist hier in Afrika eine völlig andere Situation». Die Gleichstellung sei kulturbedingt noch nicht so weit. In Sambia war sie die einzige Frau und die einzige Weisse unter 17 sambischen Männern. «Hätte ich dort eine einheimische Frau eingestellt, hätte sie es sehr schwer gehabt.» Diese Perspektive konnte sie auch im Studium einbringen und hat angeregt, dass auch Blickwinkel der weniger entwickelten Welt integriert werden müssen. «Nachhaltigkeit ist ein Luxusgut, das können sich die meisten Leute gar nicht leisten.»