Learnings aus der Krise: So klappt der virtuelle Unterricht
Bedingt durch die Corona-Krise erleben Home-Office und virtuelle Meetings Hochkonjunktur. Dies gilt auch im Bildungsbereich, sowohl Grund- als auch Hochschulen haben in der Schweiz ihren Unterricht komplett aus der Ferne durchgeführt. Aber nicht nur Schulen, sondern auch Unternehmen und Lernende können im beruflichen Umfeld vom digitalisierten Unterricht profitieren.
Mit dem flächendeckenden Aufkommen des Internets um 1996 begannenauch elektronisch unterstütze Formendes Lernens, E-Learning genannt, im Bildungswesen an Bedeutung zu gewinnen. Praktisch dabei ist, dass einerseits Lernmaterialien über das Internet verteilt werden können und andererseits der Austausch und die Kollaboration von Lehrenden und Lernenden über Distanz möglich ist. Diese Art von E-Learning lässt den Lernenden eine grosse zeitliche und örtliche Flexibilität, da viele Aufgaben auch asynchron – ohne zeitgleich online sein zu müssen – getätigt werden können. Dazu stehen imelektronischen Lernportal, Ablagesysteme, Aufgabestellungen und Diskussions-Foren zur Verfügung, welche es jederzeit erlauben, Fragen zu stellen, Antworten zu liefern, etwas zu diskutieren oder gar Gruppenarbeiten durchzuführen. Eine Betreuung der Lernenden in regelmässigen Abständen durch Lehrpersonen wird dadurch ebenfalls gewährleistet, ohne dass man sich dabei zur gleichen Zeit treffen muss.
Kombination aus Präsenz und Online.
Ergänzt wird diese Art von Unterrichtauch durch synchrone Lerneinheiten, also Videokonferenz-Meetings, welche Lehrende und Lernende zur selben Zeitzusammen bringt und so eine direkte Zusammenarbeit ermöglicht. Besonders beliebt und ebenso bewährt ist eine Mischform, welche als «BlendedLearning» bezeichnet wird. Hier wird der synchrone Teil nicht etwa online, sondern wenn immer möglich als Präsenzunterricht an einem gemeinsamenSchulungsort durchgeführt. Wer also vor der Corona-Zeit bereits «BlendedLearning» betrieben hatte, musste lediglich den Präsenzunterricht auf Online-Betrieb umstellen, um komplett«virtuell» zu unterrichten.
Im unternehmerischen Einsatz eignet sich der virtuelle Unterricht, also das Lernen über synchrone und asynchrone Lerneinheiten von zu Hause aus, für jegliches Wissen, das mit Kopfarbeit vermittelt und eingeübt werden kann. Handwerkliche Tätigkeiten wie etwa das Schweissen von Aluminium oder das Führen eines Skalpells lassen sich damit nur in der Theorie vermitteln.
Herausforderungen im Online-Unterricht.
Für Unternehmen, Ausbildungsbetriebe eingeschlossen, sind Online-Meetings via Skype, Microsoft Teams, ZOOM oder ähnliche Videoconferencing-Systeme heutzutage kein Neulandmehr. Solche Systeme sind bei Jung und Alt längst etabliert, sei es privat oder beruflich. Um virtuellen Unterricht zu gestalten genügt es aber nicht, einfachOnline-Meetings abzuhalten und diegewohnte Präsenz eines ein- odemehrtägigen Workshops in den digitalen Raum zu verlegen. Es ist schwierig,einen ganzen Tag zuhause am Bild-schirm mit anderen Teilnehmern dauerhaft konzentriert zu arbeiten. Die Ablenkungen am Computer sind vielfach und verführerisch: Besonders E-Mails und Nachrichten, die reinkommen, wollen immer direkt gelesen werden.
Umgedrehtes Lernmodell.
Eine weitverbreitete Möglichkeit, Lerninhaltasynchron von zu Hause aus zu erarbeiten und diese in synchronen Meetingsanzuwenden und zu vertiefen, bietet die Unterrichts-Methode «FlippedClassroom», was übersetzt «umgedrehter Unterricht» bedeutet. Umgedrehtwerden hier Stoffvermittlung und Stoffanwendung. Während beim klassischen Unterricht die Stoffvermittlung durch einen Lehrer in der Präsenzphaseund die Anwendung und Vertiefung des Stoffes in Form von Hausaufgaben erfolgt, ist dies im «Flipped Classroom» andersrum.
Bei dieser Methode erarbeiten die Lernenden den Stoff mit Hilfe von Lern- und Erklärvideos sowie anderen digitalen Unterlagen selbst (asynchronen Phase) und treffen sich dann im virtuellen Unterrichtsteil in Form eines Online-Meetings (synchrone Phase),um den Stoff zusammen mit der Lehr-person anzuwenden, zu diskutierenund offene Fragen zu klären. Diese Phasen wiederholen sich dann in regelmässigen Abständen, bis der gesamte Lernstoff vermittelt und eingeübt ist. Lernende müssen sich den Stoff selbst aneignen, womit auch eine gewisse Disziplin verbunden ist. Wer den Selbstlernprozess also einfach auslässt, wird auch dem Online-Meeting lernmässig nicht folgen können. Dabei erhalten auch die Lehrpersonen eine andere Rolle: Sie werden von Wissensvermittlern zu Lern-Coaches.
Einsatz von technischen Mitteln.
Zur technischen Umsetzung vom virtuellen Unterricht existieren eine Vielzahl von Tools. Im Wesentlichen benötigt der asynchrone Teil eine Plattform, bei welcher Unterrichtsmaterial elektronisch hinterlegt und ebenso diskutiert werden kann. Der synchrone Teil des virtuellen Unterrichts benötigt eine Videokonferenz-Software, mit welcherAudio-, Video- und Bildschirmübertragung zeitgleich möglich sind. Zusätzliche digitale Kollaborationstools wie Präsentations-Software, elektronische Whiteboards, digitale Pinnwände sowie Software für Textkollaboration können je nach Bedarf ergänzend eingesetzt werden.
Eine gute Übersicht über die beliebtesten, nützlichsten und wertvollsten digitalen Hilfsmittel für das Lernen im digitalen Raum liefert die jährlich aktualisierte Ausgabe der «Top Tools forLearning» von Jane Hart: www.toptools-4learning.com. Dabei wird unterschieden zwischen den «Top 100 Tools für diepersönliche Weiterbildung (PPL100)»,den «Top 100 Tools für das Lernen am Arbeitsplatz (WPL100)», den «Top 100Tools für Bildungsinstitutionen (EDU100)» und als Gesamtübersichtder verschiedenen Bereiche die «Top200 Tools for Learning».
(Erstpublikation in der Zeitschrift «Organisator, 8/2020»)