12.05.2021

Corona und kein Ende: So behalten Sie und Ihr Team die Nerven!

Stress, Vereinsamung, Unzufriedenheit… Nach 15 Monaten Pandemie haben wir alle genug. Welche Strategien es gibt, in der andauernden ungewissen Situation die psychische Gesundheit zu wahren, zeigte Dr. Nicola Jacobshagen im dritten Webinar der Reihe «Wissenschaf(f)t Perspektiven».

Dass die fortdauernde Situation mit Covid-19 einen grossen Einfluss auf unser Wohlbefinden hat, ist wohl unbestritten. Homeoffice, Homeschooling, Lockdowns und Lockerungen begleiten uns seit 15 Monaten und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Doch wie gehen wir damit um, um nicht langfristige psychische Schäden davonzutragen? Die Arbeitspsychologin und FFHS-Dozentin Dr. Nicola Jacobshagen beantwortete diese Frage am Webinar aus zwei Perspektiven: der persönlichen als Mitarbeiter eines Unternehmens und aus der Perspektive von Führungspersonen. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse und Strategien aus dem Webinar zusammengefasst.

1. Die Bandbreite an psychischen Leiden ist gross

Es gibt bereits einige nationale und internationale Studien, die die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit untersucht haben. Ein Auszug aus den Erkenntnissen zeigt die Bandbreite der psychischen Leiden auf:

  • Zunahme von Ängstlichkeit und Depressivität
  • Anstieg des Stresslevels und der Wut bei jungen Erwachsenen
  • Mehr Einsamkeitsgefühle haben vor allem bei jungen und älteren Personen
  • Familien fühlen sich belastet und berichten von mehr Streitigkeiten, Schlafproblemen, Kopfschmerzen und Magenproblemen
  • Geringere Arbeitszufriedenheit durch Homeoffice und Kurzarbeit
  • Gewichtszunahme, Nacken- und Rückenbeschwerden durch Homeoffice
  • Anstieg des Alkoholmissbrauchs.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Pandemie vielfältige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit unserer Gesellschaft hat. Umso wichtiger ist es, mit geeigneten Massnahmen vorzubeugen bzw. entgegenzuwirken.

2. Es ist an der Zeit, langfristige Strategien zur Stressbewältigung zu wählen

Nach 15 Monaten sind wir mehr als Corona-müde. Was uns kurzfristig noch geholfen hat, wie das «Durchhalten», die Suche nach Entschleunigung, spontaner Entspannung oder auch mal eine Abreaktion des aufgebauten Stresses – auf lange Sicht müssen wir akzeptieren, dass der Zustand vor Corona wahrscheinlich nie mehr ganz zurückkehren wird. Daher heisst es nun, sich aus der Opferrolle zu befreien und die Einstellung zu verändern, sich neu zu orientieren und den Lebensstil an die neue Situation anzupassen.

3. Pläne und Ziele müssen auf die neue Situation angepasst werden

Insbesondere als Vorgesetzte sind wir es gewohnt, Zielsetzungen für unser Team für einen langfristigen Zeitraum zu definieren. Statt zu sagen, in zwei Jahren sollten wir dort stehen und dies erreicht haben, sollte man sich vermehrt kleinere Ziele für überschaubare Zeiträume (z.B. zwei Monate) setzen und die Vorgehensweise und Entscheidungskriterien entsprechend anpassen. Dies hilft den Mitarbeitenden, ihre Aufmerksamkeit für eine Aufgabe zu fokussieren und Prokrastination (das Aufschieben von Aufgaben) zu vermeiden. Ausserdem gibt es klarere Kriterien, wann eine Aufgabe beginnt und wann sie aufhört.

4. Arbeit und Privates müssen noch klarer getrennt werden

Das Ende eines Arbeitstages sollte klar geregelt sein. Das Schreiben einer To-do-Liste für den nächsten Tag kann helfen, dass die Arbeit gedanklich nicht inden Feierabend genommen wird und dass wichtige Aufgaben nicht vergessen werden. Eine Metapher für den Übertritt von Arbeitsumfeld ins Privatleben ist sehr gut geeignet, die Grenze zu ziehen. Wir können uns beispielsweise vorstellen, durch einen Wasserfall zu laufen, oder konkreter, uns umzuziehen oder zu duschen, um den Feierabend offiziell zu beginnen.

5. Auf diese Anzeichen sollte man bei sich und seinen Mitarbeitenden achten

Um rechtzeitig reagieren zu können und chronischer Stress oder Burnout rechtzeitig zu erkennen, ist es für Führungspersonen wichtig, regelmässig Anzeichen zu prüfen. Wenn Mitarbeitende für sie untypische Verhaltensweisen aufzeigen wie Reizbarkeit und Aggressivität, sollte dies ernstgenommen werden. Menschen, die auf einmal nur noch auf sich selbst bezogen sind oder sich abkapseln, könnten ebenfalls erste Anzeichen von Burnout aufweisen. Schlafstörungen sind ein weiterer Indikator. Arbeitskolleginnen, Familie und Freunde können als Frühwarnsystem dienen. Solchen Hinweisen ist proaktiv zu begegnen, damit Schlimmeres verhindert werden kann.

6. Das Positive im Auge behalten und seine Angst benennen

Vor allem wenn die Arbeit durch Homeoffice und Planungsunsicherheit belastender sein kann, sollten wir uns auf das Positive besinnen. Eine gute Übung ist es, die Arbeitsaufgaben aufzulisten, die einem im Alltag Spass machen und in denen man gut zurechtkommt. Dies eignet sich ebenfalls sehr gut für Teamsitzungen, um die Mitarbeitenden zu sensibilisieren. Auch die 5-Minuten-Aufgabe vor Arbeitsbeginn kann die Arbeitszufriedenheit zu fördern. In dieser Aufgabe stellt man sich die Frage, wovor man am heutigen Arbeitstag Angst hat und wie man diese Angst vermeidet. Als Führungsperson stellt man sich dieselbe Frage, wovor hat mein Mitarbeitender heute Angst und was kann ich dagegen tun? Geeignete Lösungsstrategien könnten sein, dass man Aufgaben umverteilt oder Stressoren nach Möglichkeit umgeht.

Die Webinarreihe

Initiiert von Dr. Sonja Kahlmeier, Departementsleiterin und Leiterin des Forschungsbereichs Gesundheit, und Prof. Dr. Markus Dormann, Direktor Weiterbildung und Leiter Departement E-Didaktik, nimmt die FFHS bei der Webinarreihe ihre Funktion als Wissensvermittlerin zu gesellschafts- und wirtschaftsrelevanten Themen wahr und gibt dabei namhaften Gastrednern eine Plattform. Die Webinare werden in Zusammenarbeit mit Public Health Schweiz und Swiss School of Public Health (SSPH+) angeboten.

Informationen und Anmeldung