Lernvideos zum Frühstück
Zum ersten Mal fand das FFHS-Business-Breakfast im neuen Campus Gleisarena statt. Nach einer längeren Phase der «Veranstaltungsabstinenz» fanden sich die Teilnehmenden aus Bildungsinstitutionen und Unternehmen zu anregenden Inputs und Gesprächen in der Aula oberhalb des HB Zürich wieder. Zu Kaffee und Gipfeli teilten drei Experten ihr Wissen und ihre Erfahrung zum Einsatz von Lernvideos.
Mit einem Vertreter der Wissenschaft und zwei Experten aus der Praxis erhielten die Teilnehmenden eine breite Palette an Zutaten, wie Lernvideos gelingend eingesetzt werden können. Den Start machte Prof. Dr. Markus Dormann, Leiter Departement E-Didaktik und Direktor Weiterbildung an der FFHS, der anhand des LERN-Modells aufzeigte, was bei der Planung eines Lernvideos zu beachten ist. Beginnend mit der Frage, welche Kompetenzen erarbeitet werden sollen, sei die didaktische Planung die Krux eines erfolgreichen Lernvideos.
Der E-Didaktik-Experte erläuterte die verschiedenen Vorteile, die Lernvideos bieten. Diese ermöglichen Lernenden, sich nach individuellen Bedürfnissen und ihrem Lerntempo entsprechend Wissen anzueignen. Denn: Lernvideos können zeitunabhängig, überall und so oft wie gewünscht angeschaut werden. «Besonders lernfördernd sind Videos, wenn sie interaktive Elemente enthalten», so Dormann. Empirische Erhebungen zeigen denn auch, dass Lernvideos die Teilnahme und das Engagement des Lernenden steigern, dabei spielen die Aspekte der Emotionalität und Identifikation eine wichtige Rolle, was auch in den weiteren Referaten ersichtlich wurde. Den Vorteilen gegenüber steht der meist relativ hohe Produktions- beziehungsweise Kostenaufwand von Videos, ein Punkt, der auch im weiteren Verlauf des Morgens nochmals aufgegriffen wurde.
Max Hemmo, Dozent im CAS Media Design in Digital Learning der FFHS und Filmproduzent, knüpfte mit Beispielen der Agentur «LerNetz» an. Sein Einstiegsvideo zeigte eindrücklich, wie mithilfe von Lernvideos nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Verhaltensänderungen angestrebt werden können. Gemäss Hemmo eigne sich jede Videoart als Lernvideo, ob Erklär-, Animationsfilm oder Aufzeichnung. Er zeigte anhand von zwei Achsen «unterhaltsam» und «erklärend» auf, welche Formate welche Zwecke erfüllen.
Je nach Ziel des Filmes eigne sich ein anderes Format. Beispielsweise kann zur Vermittlung einer bestimmten Haltung oder Einsicht ein interaktiver Animationsfilm verwendet werden.
Sein Rezept für erfolgreiche Lernvideos? Die genaue Analyse der Zielgruppe und des Videozwecks. Wie alt sind die Lernenden, was sind ihre Herausforderungen, über welches Vorwissen verfügen sie? Welche Kompetenzen oder Einstellung soll mit dem Video erreicht werden? Diese Fragen und die Grösse des vorhandenen Budgets bilden gemäss dem Filmproduzenten die Ausgangslage für die Konzeption eines Videos.
Im Referat von Micha Josi, Learning Experience Designer bei Swisscom, wurde es wiederum sehr praktisch. Anhand von Beispielen aus dem Corporate Learning bei Swisscom und bei PostFinance, wo er zuvor 6.5 Jahre tätig war, zeigte er die Wichtigkeit der Konzeption eines Lernvideos auf. In seinen ersten Erfahrungen mit Lernvideos erlebte er, dass die Drehbücher viel zu lange und zu komplex waren, die Ergebnisse aber nicht ganz zufriedenstellend. Er selbst hatte hohe Erwartungen, konnte aber seinen Anspruch, «einen Hollywood-Streifen zu produzieren» bis heute nicht erreichen, so der erfahrene Lerndesigner mit einem Schmunzeln.
Dass ein «Hollywood-Streifen» aber nicht das Ziel eines Lernvideos sei, fand Josi auch in seiner Umfrage mit über 600 Teilnehmenden bestätigt, in der er die Kundenbedürfnisse für das Lernen neuer Inhalte abholte. Dabei kam unter anderem heraus, dass Lernvideos nebst interaktiven E-Learnings und Informationstexten zu den beliebtesten Lernformen gehören. In drei Punkten zusammengefasst, konnte Josi die folgenden Bedürfnisse identifizieren: Orientieren, Vertiefen und Üben. Diese Bedürfnisse wurden auch in einem Security Awareness Training umgesetzt, bei dem die Mitarbeitenden zunächst ein Video zur Einführung ins Thema anschauen konnten und danach interaktive Übungsmöglichkeiten und Info-Material zur Vertiefung erhielten.
Nach Josis Erfahrung bestechen gute Lernvideos mit Einfachheit, also der Reduktion von Komplexität, jedenfalls aus Benutzersicht. In der Produktion ergibt sich oft eine hohe Komplexität durch die verschiedenen Ansprüche und Rollen. Um den Produktionsprozess effizient zu gestalten, eignet sich gemäss Josi ein visuelles Drehbuch, das die Kernaussagen, Bildsprache und Soundauswahl enthält. Denn so hat der Videoproduzent schon während des Erstellungsprozesses die Möglichkeit, den Stakeholdern Entwürfe zu zeigen und deren wertvolles Feedback frühzeitig einfliessen zu lassen. Für kleine Zielgruppen besteht sogar die Möglichkeit, das visuelle Drehbuch gleich als Lernvideo zu verwenden und somit Kosten zu sparen.
In der anschliessenden Diskussionsrunde konnten offene Fragen geklärt werden. Beispielsweise brannte einigen Teilnehmenden die Frage nach den Kosten oder die Frage nach dem genauen Vorgehen in der Planung eines Videos auf der Zunge. Für detailliertere Infos zur didaktischen Planung und Produktion eines Lernvideos wurde auch auf die diversen Weiterbildungen im E-Learning-Bereich hingewiesen.