Künstliche Intelligenz hilft Kartoffeln nachhaltiger zu lagern
Künstliche Intelligenz (KI) hält in alle Lebensbereiche Einzug – auch in der Landwirtschaft. Ein breit abgestütztes Forschungsprojekt des Laboratory for Web Science (LWS) soll künftig dazu beitragen, dass die ungewünschte Bildung von Austrieben bei Kartoffeln früh erkannt und vorhergesagt werden kann.
KI-unterstützte moderne Techniken sollen in Zukunft dazu beitragen, Kartoffeln besser und nachhaltiger lagern zu können, so dass es erst gar nicht zur Bildung von Austrieben kommt. (Foto: Eric Prouzet)
Die Kartoffel ist die viertwichtigste Nahrungspflanze der Welt und wird auf 16,5 Millionen Hektar in 150 Ländern angebaut – im Jahr 2020 etwa mit einer Weltproduktion von 359 Millionen Tonnen. Kartoffeln können bis zu elf Monate gelagert werden, bevor sie verzehrt werden. Eine Tatsache und ein Qualitätsmerkmal, was diese Nutzpflanze so wertvoll macht. Entsprechend ist es hilfreich, wenn die dafür notwendigen Bedingungen möglichst optimal gewährleistet werden können.
Simple aber sorgfältige Lagerung ist Voraussetzung für die Haltbarkeit
Während der Lagerung von Kartoffeln muss das sogenannte «Austreiben» vermieden werden, da es zu Qualitäts- und Gewichtsverlusten führt. Wenn vom Austreiben bei Kartoffeln die Rede ist, meint man, dass die Kartoffel grüne Stellen bildet oder keimt – knollen- oder wurzelartige Auswüchse formt. Das kann passieren, wenn die Kartoffel zu lange oder zu warm gelagert wird.
Genau hier setzt ein Forschungsprojekt der FFHS an. Das Laboratory for Web Science (LWS) der FFHS erhielt im letzten Sommer die Zustimmung von Innosuisse für eine Förderung des Projekts «PRONTO – Predicting Potato Sprouting to Optimise Tuber Storage». Es wird in Kooperation mit Vivent, UPL, fenaco und Zweifel sowie Agroscope und der Fachhochschule Südschweiz (SUPSI) – unter der Leitung von Prof. Dr. Beatrice Paoli von der FFHS – durchgeführt. Untersucht wird die Vorhersage der Kartoffelkeimung zur Optimierung der Knollenlagerung mittels Einsatzes von KI. Die Absicht ist es, den Austrieb zu überwachen, bevor sichtbare Anzeichen auftreten, sowie Sprühpläne zu testen, um das effizienteste und umweltfreundlichste Vorgehen zu finden. In Zusammenarbeit mit der SUPSI wird etwa an der Entwicklung von Vorhersagealgorithmen und der Analyse von Behandlungsdaten gearbeitet.
Was wir seit jeher wissen, nun aber wissenschaftlich verbessert werden soll
Bereits unsere Grossmütter wussten, dass Kartoffeln am besten kühl und dunkel gelagert werden sollen. Sechs bis acht Grad Raumtemperatur gelten als ideal. Bedingungen, die in den meisten Kellern herrschen. Ausserdem sollte die Umgebung schön luftig sein. Und in jedem Fall sollten die Kartoffeln nicht in einem Plastikbeutel oder anderem Behältnis gelagert werden, denn darin werden sie feucht und fangen an zu faulen.
Das Austreiben beschleunigt den Gewichtsverlust und führt zu wirtschaftlichen Verlusten. Ausserdem kann es auch zur Anhäufung von Zucker in der Knolle führen, was ebenfalls die Qualität beeinträchtigt. Um das Austreiben zu verzögern und zu minimieren, werden Kartoffeln bei niedrigen Temperaturen gelagert und Anti-Austriebsmittel (ASC) eingesetzt. Chlorpropham (CIPC) wurde jahrzehntelang wegen seiner Wirksamkeit und Erschwinglichkeit zur Bekämpfung der Keimung verwendet. Aufgrund eines Risikos für die menschliche Gesundheit wurde es jedoch im Jahr 2020 vom europäischen und schweizerischen Markt genommen. Alternativen wie «Dormir», «Argos» (Orangenöl), Pfefferminzöl und Ethylen konnten die Wirksamkeit und die niedrigen Kosten von CIPC nicht erreichen. Die Folgen waren höhere Lagerkosten, die an die Verarbeiter und Verbraucher weitergegeben wurden.
Wie sieht also die konkrete Lösung aus?
Der im Forschungsprojekt vorgeschlagene Lösungsansatz kombiniert modernste Machine-Learning-Technologien mit der sensorbasierten Überwachung elektrischer Signale von Kartoffeln, um das Auftreten von Keimen bereits Wochen im Voraus vorherzusagen. Im Vergleich zu bestehenden Methoden, die Keime erst nach dem Erscheinen sichtbarer Anzeichen erkennen, bietet diese Lösung einen klaren Vorteil. Die Methodik soll genutzt werden, um frühzeitige Keimentdeckungen bei Kartoffeln unter verschiedenen Bedingungen zu identifizieren – zum Beispiel bei unterschiedlichen Lagertemperaturen.
Zudem wird dabei auf Techniken der «erklärungsfähigen künstlichen Intelligenz» gesetzt. Diese gewinnen Einblicke in das vorliegende Problem, indem sie den Denkprozess der Machine-Learning-Algorithmen zur Erreichung bestimmter Entscheidungen erläutern und das Vertrauen in die Lösung stärken. Die frühzeitige Erkennung von Keimen ermöglicht schliesslich Verbesserungen in anderen landwirtschaftlichen Prozessen, wie zum Beispiel der Optimierung des Kartoffel-Lagermanagements.
Positive Auswirkungen auf globaler und lokaler Ebene
Die Keimungsvorhersage kann eine nachhaltigere Verarbeitung von Kartoffeln ermöglichen. Die vorgeschlagene und weiter zu erforschende Methode beabsichtigt ein besseres Timing der Behandlungen zur Unterdrückung der Keimung. Zugleich sollte die Anzahl der Produktanwendungen reduziert werden können, aber die gleiche Wirksamkeit garantieren. Weniger Behandlungen verringern die Wahrscheinlichkeit von Rückständen im Endprodukt, was der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zugutekommt. Darüber hinaus erlaubt eine bessere zeitliche Abstimmung der Anwendungen, dass Kartoffeln länger gelagert werden können. Auch fallen weniger Abfälle an, wodurch die lokalen Ressourcen maximiert und ein nachhaltiger verantwortungsvoller Konsum von Kartoffelprodukten gefördert werden.