28.06.2022

FFHS Business Breakfast: Online Recruiting und digitales Onboarding

Bei spannenden Beiträgen aus Praxis und Forschung wurden am Donnerstag lebhaft die Dos and Don'ts, die Voraussetzungen, Erfolgsgaranten und Hindernisse im Online Recruiting und Onboarding diskutiert. Flexibilisierung, Effizienzgewinn durch den Einsatz von Bots und die Akkulturation im Home Office waren die Kernaspekte.

Hannah Instenberg, Studiengangsleiterin der Weiterbildungen zum Thema Arbeit 4.0, hob hervor, dass durch den Einsatz von digitalen Tools der gesamte Rekrutierungsprozess verkürzt wird, da vor allem die gemeinsame Terminfindung für die Vorstellungsgespräche flexibler vonstattengeht – insbesondere von Vorteil, wenn es sich um Einstellungen von Mitarbeitenden aus dem Ausland handelt.

Doch wie jede Medaille hat auch das online oder digital unterstützte Recruiting eine Kehrseite: Die gewonnene Effizienz hat zum Nachteil, dass das Zwischenmenschliche wie bspw. der Small Talk verschwindet, der doch so viel über eine Person vermitteln kann, was nicht im CV oder Motivationsschreiben zu finden ist. Eine Möglichkeit, diese Klippe zu umschiffen ist, dass sich eine der Gesprächsleitungen wie bei einem Interview vor Ort ca. 10-5 Minuten früher einloggt und dem Kandidaten helfen kann, sich technisch einzurichten («Wissen Sie, wie man eine Präsentation über Teams teilt?»). Das ermöglicht den Kandidaten, Nervosität zu überwinden, formelle Hürden abzubauen und räumt ausserdem Platz für Small Talk ein.

Der Vortrag von Hannah Instenberg zum Thema «Small Talk adé im online Vorstellungsgespräch»

Yves-Alain Studer, ehemaliger Student im MAS Arbeit 4.0 an der FFHS, stellte die Ergebnisse seiner Masterthesis vor, in welcher er sich auf die Erforschung der weichen, zwischenmenschlichen Faktoren fokussierte, die das Online-Onboarding beeinflussen, und weniger auf die technischen Rahmenbedingungen. Einige überraschende Ergebnisse, auf die er in seinen Recherchen und Evaluationen stiess, und auf die der Arbeitgeber achten sollte, sind:

  • fehlende Informationsflüsse, wenn neue Mitarbeitende alleine im Home Office sitzen und auf einen regen Austausch angewiesen sind,
  • eine reduzierte Feedback-Kultur, die sich auf den reservierten Teams- oder ZOOM-Austausch beschränken,
  • unausgesprochene bzw. nicht explizit erörterte Erwartungen, die zu Missverständnissen führen, bspw. was eine adäquate Arbeitsweise betrifft (bspw. was für den Mitarbeitenden als hohe Belastung wahrgenommen wird, entspricht einem Verständnis von dynamischem Einsatz beim Arbeitgebenden).

Sicherlich ist es auch generell viel schwieriger, eine Identifikation mit dem neuen Arbeitgeber zu entwickeln, wenn ein Grossteil des Onboardings im Home Office abläuft. Ein (Er)Leben und Erlernen der neuen Arbeitskultur kann durch ein Götti-Mentoring System erleichtert werden. Ausserdem sollten Vorgesetzte immer wieder die Leitsätze des Unternehmens in die Aufgaben einbinden und vor Augen stellen. Dezidierte Online-Kaffeepausen und Teamevents fördern ebenfalls Kulturverständnis und Teamspirit.

Yves-Alain Studer gab die Erkenntnisse aus seiner Masterarbeit weiter, wie Onboarding im Homeoffice gelingen kann

Es stellt sich nicht zu Unrecht die Frage: Was muss und was kann persönlich sein? Die Identifikation, welche Elemente beim Recruiting und Onboarding in Zukunft digital erfolgen sollten und welche analog bleiben, ist eine äusserst individuelle Sache des Unternehmens. Ein Vorschlag von Frau Instenberg ist, zusammen mit der Linie die Aspekte sammeln, die bei den beiden Vorgehen benötigt werden und gemeinsam zu definieren, was in welchem Format umgesetzt werden kann. Daraus kann in Zukunft eine Knowledge-Management-Plattform entstehen, die nicht nur für neue Mitarbeitende hilfreich ist, sondern auch den bestehenden Mitarbeitenden als Gedächtnisstütze und Infoquelle dient.

Mit einem digital unterstützten Recruiting und Online-Onboarding geht aber noch keine Prozesseffizienz einher. Während die neuen Mitarbeitenden im Home Office zwar keinen Eintrittsbadge benötigen, muss ein Laptop bereitgestellt werden und Daten für die Unfallversicherung und die Payroll müssen weiterhin erfasst werden. Eine Rekrutierung zieht immer einen sprichwörtlichen Affenschwanz an To-dos mit sich, repetitiv, monoton, aber unausweichlich. Eine konsequente Digitalisierung würde daher den Einsatz von RPA – Robotic Process Automation – verlangen.

Es handelt sich dabei um Bots, die solche Standardaufgaben lernen und übernehmen. Anne-Lena Krolikiewicz stellte den Bot mit dem fiktiven Namen «Blue» vor, dessen Einsatz sie in ihrer Masterthesis im MSc Business Administration an der FFHS für den Einsatz im HR evaluierte. Diese Lösung ist deshalb so interessant für die Schweizer Wirtschaft, weil sie z. B. im Vergleich zu einer customised SAP-Lösung deutlich günstiger daherkommt (ab 3'500.– CHF initiale Investitionskosten), daher für KMU überlegenswert. Ein weiteres hilfreiches Feature ist, dass es keiner aufwendigen Programmierung bedarf. «Blue» trainiert man über ein Drag-and-drop-Vorgehen* für welche man mind. 14 Tage einkalkulieren sollte. Es ist weder eine Mindestfallzahl an Prozesschritten notwendig noch ein vorgängig vorliegendes Datenvolumen.

Anne-Lena Krolikiewicz stellte den HR-Assistenten Blue und den Einsatz von RPA im Onboardingprozess vor.

Klingt zu gut, um wahr zu sein? Mit ein bisschen Mut und Wille, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen, ist so ein Bot tatsächlich interessant. Was man berücksichtigen sollte, sind hervorragend definierte Prozesse (ein schlechter analoger Prozess wird auch durch den digitalen Twin nicht besser) und Aufmerksamkeit gegenüber zukünftigen Anpassungen. Es ist gut denkbar, dass sich System Updates/Erneuerungen und Prozessüberprüfungen und -anpassungen verzögern, da dies ein neues Training für «Blue» bedeuten würde. Lifelong Learning for bots….

*Anmerkung Frau Krolikiewicz: Die IT sollte trotzdem involviert werden, da die IT-Sicherheit und Schnittstellentauglichkeit überprüft werden sollte.

Weiterführende Informationen