Mit Generativer KI das Lernen in Unternehmen unterstützen
Generative Künstliche Intelligenz (KI) wie ChatGPT und Co. bietet für Unternehmen und deren Mitarbeitende spannende Möglichkeiten, die Kompetenzentwicklung zu unterstützen. In diesem Artikel zeigen wir solche Einsatzszenarien auf und thematisieren, worauf insbesondere aus der Perspektive des Lehrens und Lernens zu achten ist.
Trotz vielversprechendem Potenzial von generativer KI wie ChatGPT: Menschliches Lernen findet immer noch individuell und im Menschen selbst statt. (Foto: Emiliano Vittoriosi)
Viele Unternehmen setzen sich heute in der einen oder anderen Form mit dem Einsatz Generativer KI auseinander. Während die einen sich erst noch experimentierend daran herantasten, haben andere bereits Strategien und Use Cases entwickelt. Auf viele Bereiche im Unternehmen wird KI zunehmend einen gewichtigen Einfluss haben, so auch im Learning & Development (L&D). Dort ist KI beim Bereitstellen von Lernangeboten angekommen. Laut einer internationalen Umfrage von Dr. Philippa Hardman im Februar 2024 bei 150 L&D-Spezialisten nutzen heute bereits über 95 % der Befragten KI bei ihrer Arbeit. KI wird in der Entwicklung als Sparring-Partnerin für neue Ideen und Vorschläge zu Themen, Aktivitäten oder Lernformaten genutzt und hilft beimkreativen Denken für innovative Lernkonzepte.
Grenzen von Generativer KI
KI kommt aber vor allem auch bei der Entwicklung und Erstellung von Lernmaterialien zum Einsatz. Mit generativen KI-Tools können Texte, Bilder, Tests und auch ganze Lernvideos produziert werden. Aktuell besteht noch Optimierungspotenzial: So ist es beispielsweise schwierig, aufeinander abgestimmte Schulungsinhalte in der gewünschten Qualität zu erstellen, manuelle Prozesse zu skalieren und auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden abzustimmen. Doch KI beschleunigt und vergünstigt schon heute den Entwicklungsprozess und bringt dabei erstaunlich gute Resultate. Zudem entwickelt sich die Technologie rasant weiter.
Gute Lernangebote lassen sich jedoch nicht auf schnell und günstig produzierte Lernmaterialien reduzieren. Erst ein didaktisch geschicktes Gefüge mit auf Kompetenzen ausgerichteten Lernzielen und für diese konzipierten Lernaktivitäten bildet ein gutes Lernangebot. Und bei solchen komplexen Aufgaben hat die Generative KI deutlich mehr Mühe. Es fehlen hierzu in den meisten Organisationen zudem noch die technologischen Voraussetzungen und es bestehen offene Fragen bzgl. dem Datenschutz und der Erhebung von Daten der Lernenden und deren Lernverhalten. Deshalb setzen Bildungsspezialisten KI zurzeit zur Datenanalyse noch eher selten ein. Auch dies wird sich vermutlich in Zukunft ändern.
Prompts von Didaktik-Profis
In vielen L&D-Abteilungen wurden im letzten Jahr abteilungsintern die benötigten KI-Kompetenzen aufgebaut. Nur mit Hilfe von entsprechenden durch Didaktik-Profis entwickelten Prompts kann der Prozess des didaktischen Analysierens und Planens unterstützt werden. Die Generative KI wird so als begleitender Bot eingesetzt. Ein solcher kann unter anderem auch didaktisch weniger versierte Personen beim Konzipieren von Lernangeboten anleiten. Dadurch kann die Bereitstellung von Lernangeboten womöglich auch ausgeprägter durch jeweilige Fachpersonen (Subject Matter Experts) selbst erfolgen, didaktisch geschulte Lerndesigner werden entlastet und stehen anstatt produzierend, vermehrt beratend und qualitätssichernd zur Seite.
Der Aufwand für die Entwicklung und Bereitstellung solcher Prompts, die dabei auf die Bedingungen des Unternehmens abgestimmt sind, darf aber keinesfalls unterschätzt werden. Je besser solche Prompts entwickelt sind, umso eher kann mit den daraus resultierenden Ergebnissen zielführend gearbeitet werden. Zudem ist die Qualifizierung der jeweiligen Mitarbeitenden für die Nutzung der Prompts und den reflektierten, kritischen Umgang mit diesen und den daraus gewonnenen Artefakten essenziell.
Organisationsinterne KI-Assistenten
Während beim organisationsspezifischen Lernen Lehrende und Bildungsexperten zur Unterstützung immer häufiger auf KI zurückgreifen, integrieren viele Anbieter von Produktivitäts-Tools KI, um Mitarbeitende direkt im Arbeitsprozess nahtlos beim Lernen zu unterstützen. So lassen sich beispielsweise Texte mit dem LanguageTool nicht nur korrigieren oder umformulieren, der KI-Rechtschreibassistent erklärt bei jedem Vorschlag auch die Rechtschreibregeln, so dass praktisch nebenbei die Schreibkompetenz verbessert werden kann. Zudem erstellt das LanguageTool Statistiken, mit denen Lernende ihre Schwachstellen erkennen und diese dann gezielt ausbessern können.
Solche KI-Assistenten sind auch organisationsintern denkbar. Chatbots für die Automatisierung von Fragen und Antworten sind bereits heute realisierbar. Ein KIgesteuertes Skill-Assessment, das die Kompetenzen von Mitarbeitenden zuverlässig misst, schnell Verbesserungsbereiche ermittelt und dann personalisierte Entwicklungspläne, Lernpfade und Coachings anbietet, ist hingegen wesentlich schwieriger umzusetzen. Der Aufbau solcher Systeme ist aufwändig und erfordert viel Know-how und Ressourcen. Zudem ist der Zugang zu grossen Datenmengen notwendig. Diese müssen systematisch erfasst und gespeichert werden, wobei auch der Datenschutz eingehalten werden muss. Es ist zudem fraglich, wie weit Personalentwicklungsaufgaben sinnvollerweise an eine KI delegiert werden sollen. Neue KI-Tools für das Lernen in Unternehmen müssen aus dieser Perspektive jeweils kritisch begutachtet und kuratiert werden.
In KI-Kompetenzen investieren
Bis hierhin haben wir die Use Cases von Generativer KI primär im Rahmen organisierter Bildungsmöglichkeiten besprochen. Mitarbeitende bilden sich jedoch auch selbständig über anderweitig zugängliche KI-Tools weiter. Hierbei ist es für Unternehmen nicht mehr möglich, die Qualität von KI-generierten Inhalten zu kontrollieren. Deshalb ist es notwendig, in deren KI-Kompetenzen zu investieren. Dazu gehören die Auswahl der richtigen KITools, deren gekonnte Nutzung, das Prompting, kritisches Hinterfragen des KI-Outputs und der Datenschutz. Letzteres ist besonders wichtig, denn personenbezogene Daten und Betriebsgeheimnisse lassen sich nicht einfach aus einer KI löschen. Zurzeit entstehen Lösungen für unternehmenseigene Sprachmodelle, damit das Potenzial von KI auch für das Lernen am Arbeitsplatz genutzt und gleichzeitig rechtliche und ethische Aspekte berücksichtigt werden können.
Lernen bleibt menschlich
Abschliessend lässt sich sagen, dass Generative KI ein vielversprechendes Potenzial hat, die Kompetenzentwicklung in Unternehmen zu begünstigen und zu bereichern. Mit KI wird es für L&D-Abteilungen einfacher, gemeinsam mit Fachpersonen massgeschneiderte Lernerfahrungen für Mitarbeitende zu ermöglichen. Die tatsächliche Kompetenzentwicklung kann von der Generativen KI dabei aber «nur» unterstützt werden. Lassen sich in anderen Bereichen Tätigkeiten komplett an die KI auslagern, kann menschliches Lernen ausschliesslich in Menschen stattfinden. Solange es in einem Unternehmen also Menschen hat, die sich weiterentwickeln sollen, übernimmt keine KI deren Lernen. Dies soll – zumindest in Bezug auf die Kompetenzentwicklung – auch die Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten aufzeigen: Die KI dient dem Menschen und nicht umgekehrt.
(Erstpublikation: Organisator, Nr. 3-4, März 2024)