«Irgendwann kommt der Moment, wo das Ganze funktionieren muss»
An der FFHS hat man schon vor Corona vereinzelt papierlose Prüfungen abgenommen. Heute ist das Modell Standard. Wie eine Krise Innovation beschleunigt und wie das E-Didaktik-Team um Markus Dormann damit umgegangen ist.
Prof. Dr. Markus Dormann. Der Departementsleiter E-Didaktik mag es, wenn es knifflig wird. (Foto Christian Pfammatter)
Plötzlich war Schluss. Die ganze Welt verabschiedete sich im Frühjahr 2020 in den Lockdown. Und mit ihr auch die Hochschulen. Die Umstellung vom Präsenz- auf Fernunterricht gestaltete sich dabei als herausfordernd. Die Pandemie hat zu Beginn auch aufgezeigt, dass die Schweiz in vielen Bereichen noch nicht so digitalisiert war, wie man das gemeinhin annehmen konnte. Die Krise hat Schwachstellen gnadenlos aufgedeckt. Und das schmerzt.
Voll auf Corona-Modus
Der Fernfachhochschule ist es gelungen, ihr ganzes Angebot so umzugestalten, dass für die Studierenden die Weiterplanung und –führung ihres Studiums jederzeit garantiert war. Und zwar so, dass sie dabei nicht mal mitgekriegt haben, dass es manchmal auch hektisch hinter den Kulissen zu- und herging bei der Umsetzung der nötigen Schritte.
Auch wenn die FFHS mit ihrem Blended-Learning-Modell (80 Prozent Selbststudium und 20 Prozent Präsenzunterricht) es vergleichsweise einfacher hatte, voll auf Corona-Modus zu stellen und dabei von bereits 20 Jahren Erfahrung in Fernstudien profitieren konnte, ganz so einfach war es auch hier nicht. Denn nicht nur der Unterricht musste fortan von zuhause aus zugänglich sein. Die Studierenden sollten auch die Prüfungen von dort aus ablegen, wo es für sie am besten möglich war.
Vom Pilot zum Standard
Markus Dormann und sein Team hatten schon Erfahrungen gesammelt mit papierlosen Prüfungen, einige Pilotprojekte waren bereits am Laufen. Als auch die FFHS in den Lockdown ging, war aber sein Departement E-Didaktik besonders gefordert. «Die grosse Herausforderung bestand darin, die Erkenntnisse aus den verschiedenen Einzelprojekten in dieser kurzen Zeit auf die gesamte Schule zu skalieren», blickt Dormann heute auf das Frühjahr 2020 zurück. «Und dann kommt irgendwann der Moment, wo das Ganze live geht und auch technisch funktionieren muss, das war schon anstrengend, aber auch eine sehr spannende Zeit.»
««Es ist schön zu sehen, dass wir an der FFHS ein grosses Team sind, bei dem jeder mit anpackt»»
Wie mit einer Band auf Tour zu sein
Klar habe es Momente gegeben, wo er sich schon mal nach geregelten Abläufen und mehr Routine gesehnt habe. Gleichzeitig habe er sich aber über jede knifflige Fragestellung gefreut, die sich in dieser turbulenten Zeit aufgemacht habe. «Schliesslich bin ich dafür angestellt», lacht der gebürtige Franke. Dormann verweist auf seine bisherige Laufbahn als Unternehmensberater und Hochschullehrer, aber auch als Hobby-Musiker sei er oft mit komplexen Situationen konfrontiert. «Wenn du mit einer Band unterwegs bist, musst du die verschiedenen Tagesformen der Kollegen handeln können, die ganze Organisation, die unterschiedlichen Bedingungen, die man in den Locations vorfindet», sagt der passionierte Bassist und Sänger. Der Vergleich mit der Einführung der papierlosen Prüfungen sei daher gar nicht so abwegig. «Das war ja nicht nur die Arbeit der E-Didaktik», sagt Dormann, «die Studierendenadministration war gefordert, die IT, die Departemente mussten eng zusammenspannen, dann die ganzen Rechtsfragen in Bezug etwa zum Datenschutz – da kam doch einiges zusammen». Am Ende sei es schön zu sehen, «dass wir an der FFHS ein grosses Team sind, bei dem jeder mit anpackt und mit dem wir zusammen für unsere Studierenden immer wieder viel erreichen».
Die papierlosen Prüfungen basieren auf dem Prinzip «bring your own device». Das heisst, dass es für die Studierenden möglich sein soll, mit ihren eigenen Endgeräten die Prüfungen zu absolvieren – egal, wo sie sind. Das Team um Dormann hat hierfür den Studierenden Musterprüfungen zur Verfügung gestellt, damit sich diese auf die Prüfungssituation vorbereiten konnten. «Es war äusserst wichtig, dass man die technischen Hürden von Beginn an so tief wie möglich hielt.» Studierende, die dieses Angebot genutzt haben, um sich in den Ernstfall zu versetzen, hätten dann auch keine Probleme gehabt, die papierlosen Prüfungen von zuhause aus durchzuführen. Bei den Musterprüfungen geht es mittlerweile nicht nur darum, die technische Ausrüstung für den Ernstfall zu testen. Sie sind mithilfe der Studiengangsleitenden auch so aufgebaut, dass die Mustertests gleichzeitig eine letzte Lernkontrolle darstellen, indem bereits der Lernstoff abgefragt wird. Technik und Digitalisierung, so Dormann, müssen auch immer einen didaktischen Impact haben. «Sie sind nie Selbstzweck.»
In den drei Corona-Semestern hat die FFHS über 11 000 papierlose Prüfungen abgenommen. Künftig können die Studierenden selbst entscheiden, ob sie sich home based prüfen lassen wollen, oder ob sie die Prüfungen lieber an einem der FFHS-Standorte schreiben. Für Dormann haben sich in den letzten Monaten zwei Prinzipien herauskristallisiert, die er und sein Team nun weiterverfolgen und verfeinern wollen. Einerseits die Zugänglichkeit («accessibility»). Das heisst: FFHS-Studierende sollen die Prüfungen ablegen können, egal ob sie im Ausland oder im Familienalltag zuhause sehr stark eingebunden sind, egal ob sie – aus welchem Grund auch immer – nicht die Möglichkeit haben, an einen vorgegebenen Prüfungstermin zu reisen.
Qualität muss stimmen
Weiter muss die Qualität auch bei den papierlosen Prüfungen gewährt sein. «Sie müssen valide und sie müssen fair sein», sagt Dormann, «und das ist uns schon ziemlich gut gelungen». Die Feedbacks der Studierenden hätten gezeigt, dass sie sehr froh waren über das Angebot und auch über die Tatsache, dass sie ihr Studium weiterführen konnten – Corona hin oder her.