Bei der nachhaltigen Mobilitätsplanung ist die Gesundheit zu priorisieren
Mobilität in Städten kann unsere Gesundheit beeinflussen. Wie dies in der Mobilitätsplanung zu berücksichtigen ist, hat ein international besetztes Forschungsteam untersucht. Dieses gibt dann auch konkrete Empfehlungen, um die Planung nachhaltig und als Motor der Gesundheitsförderung zu nutzen. Unter den Forschenden ist auch Prof. Dr. Sonja Kahlmeier von der FFHS.
Aktive Fortbewegungsweisen wie Velofahren sollte in Mobilitätsplanungen hoch priorisiert berücksichtigt werden, um die allgemeine Gesundheit insbesondere in europäischen Städten zu fördern. (Bild: Sabina Fratila)
Mobilität in Städten kann sich negativ auf die Gesundheit und Lebensqualität der dort lebenden Menschen auswirken, zum Beispiel durch Luftverschmutzung, Lärm und Verkehrsunfälle. Unterwegssein kann aber auch eine Chance für die Gesundheitsförderung darstellen, etwa wenn aktives Fortbewegen wie Gehen und Velofahren die Nutzung des Autos ersetzt. Prof. Dr. Sonja Kahlmeier, Leiterin des Departements Gesundheit an der FFHS, sagt: «Die Gesundheitsförderung könnte ein attraktiver Vorteil und Motivator für eine transformative städtische Nachhaltigkeitspolitik sein».
Eine neue von der «Europäischen Allianz für öffentliche Gesundheit (EPHA)» finanzierte Studie hat untersucht, wie Gesundheitsaspekte derzeit in der nachhaltigen Mobilitätsplanung berücksichtigt werden und gibt entsprechende Empfehlungen ab.Ziel ist es unter anderem, die Aufmerksamkeit für Gesundheit in der Mobilitätsplanung zu erhöhen, denn eine gesundheitsfördernde Verkehrspolitik kann in erheblichem Masse positiv zu einer Reihe von europäischen Strategien und Massnahmen beitragen, die auf die öffentliche Gesundheit abzielen. Die Europäische Kommission ermutigt die Städte nachdrücklich, Sustainable Urban Mobility Plans (SUMPs) zu entwickeln, um die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern Dafür sind die grossen Herausforderungen wie Verkehrsüberlastung, Umweltverschmutzung und Klimawandel anzugehen.
Gesundheitsaspekte umfassend untersucht
Die umfassende Studie des internationalen Forschungsteams, bei dem auch Prof. Dr. Sonja Kahlmeier, Departementsleiterin Gesundheit der FFHS, mitarbeitete, bildet eine quantitative Textanalyse von 230 SUMPs in ganz Europa ab und erstreckt sich von 2006 bis 2023. Dazu haben sie 13 stichprobenhaft ausgewählte SUMPs einer eingehenden qualitativen Analyse unterzogen.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Thema Gesundheit zwar häufig angesprochen wird und an Bedeutung zuzunehmen scheint, die SUMPs aber die Chance verpassen, Mobilität als wirklichen Motor der Gesundheitsförderung zu nutzen. In einigen Projektvorhaben wird die Gesundheit in der Mobilitätsplanung explizit erwähnt, in 34 von 230 Städten steht jedoch gar nichts zur Gesundheit. Velofahren und Barrierefreiheit sind die am häufigsten genannten Konzepte mit Gesundheitsbezug. Bemerkenswerterweise werden Sicherheit und Schutz vor Luftbelastung oder Lärm stärker betont als die ausdrückliche Erwähnung von «Gesundheit» selbst. «Die Entwicklung von SUMPs scheint auch sehr stark von nationalen und regionalen Regierungsanforderungen beeinflusst zu sein», wie die Untersuchung laut Kahlmeier zeigt.
Zudem zeigen die Ergebnisse, dass der Zusammenhang zwischen Verkehr und Gesundheit sowie sozialem und psychischem Wohlbefinden nicht häufig diskutiert wird. Detaillierte Ziele für mehrere Gesundheitsaspekte sind rar oder fehlen ganz – ebenso wie die gesundheitlichen Gründe und die Ergebnisse für vorgeschlagene Massnahmen. Langfristige Gesundheitsziele sind zwar vorhanden, aber nur wenige Pläne enthalten Zwischenziele und nennen Methoden zur Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen sowie Überwachungsmechanismen.
Gesundheit ist Teil von nachhaltiger und grüner Entwicklung
Die gesundheitlichen Bestrebungen in den SUMPs beziehen sich überwiegend auf die Minimierung der schädlichen Auswirkungen des Verkehrs auf die Gesundheit, in erster Linie durch Verkehrsunfälle und in geringerem Masse durch Luftverschmutzung und Lärm. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels in Verbindung mit Treibhausgasemissionen, Stress und städtischen Hitzeinseln werden nur selten diskutiert. Gesundheitsbezogene Konzepte wie Zugänglichkeit und aktives Fortbewegen spielen eine wichtige Rolle, werden aber nicht ausdrücklich als Möglichkeit zur Verbesserung der Gesundheit genannt. Kurz gesagt, die städtische Mobilitätsplanung in europäischen Städten scheint eine Gelegenheit zu verpassen, Gesundheit als Mittel zur Förderung eines grünen Wandels in allen Sektoren und in der Gesellschaft zu nutzen.
Empfehlungen für weitere Pläne
Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, dass SUMPs die Rolle der Verkehrspolitik nicht nur bei der Verringerung negativer gesundheitlicher Auswirkungen, sondern auch als Möglichkeit zur Verbesserung der Gesundheit hervorheben. Die Gesundheitsförderung muss als Ziel definitiv mehr berücksichtigt werden.
Die Studie liefert wertvolle Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger, Planer und Wissenschaftler, die sich für eine gesundheitsorientiertere und nachhaltigere Planung der städtischen Mobilität einsetzen. «Es ist zu hoffen, dass diese Verantwortlichen entsprechende Vorhaben und Projekte vermehrt initiieren und umsetzen», so Kahlmeier abschliessend.