«Gemeinsam genutzte, selbstfahrende Autos werden das Reiseverhalten revolutionieren»
Shared Autonomous Vehicles (SAVs) könnten eine Lösung für die Zukunft sein, um der zunehmenden Verkehrsdichte entgegenzuwirken. Doch wie sieht die Akzeptanz für dieses Konzept unter zukünftigen Pendlern in der Schweiz aus und inwiefern sind sie bereit, dafür zu zahlen? Dies untersuchte Alessandro Oliva im Rahmen seiner Bachelorarbeit in Wirtschaftsingenieurwesen.
Die Verkehrslage in der Schweiz wird immer komplexer und vor allem dichter. Alessandro Oliva zeigt in seiner ausgezeichneten Bachelorarbeit in Wirtschaftsingenieurwesen an der FFHS einen innovativen Ansatz von Mobilitätslösungen. (Foto: Bucheggplatz in Zürich, Patrick Federi)
Herr Oliva, Sie untersuchten das Potenzial von Shared Autonomous Vehicles (SAVs) als innovative Mobilitätslösung. Können Sie die Idee erläutern?
SAVs sind selbstfahrende führerlose Fahrzeuge, die von mehreren Nutzern geteilt werden können. Diese Fahrzeuge können per Smartphone-App bestellt und für die gewünschte Strecke genutzt werden. SAVs sollen das Reiseverhalten der Menschen revolutionieren, indem sie eine flexible, kostengünstige und sichere Alternative zum eigenen Auto bieten. Sie haben das Potenzial, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, indem sie menschliche Fehler reduzieren und die Anzahl der Verkehrsunfälle senken. Zudem könnten SAVs helfen, die Verkehrsdichte zu verringern, indem sie effizienter genutzt werden als private Fahrzeuge und dadurch die Anzahl der Fahrzeuge auf den Strassen reduzieren.
Stichwort Verkehrsdichte: Wie zeigt sich die Situation heute in der Schweiz und welche Entwicklung steht noch bevor?
Die Verkehrsdichte auf den Schweizer Strassen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Seit dem Jahr 2000 ist die Anzahl der Fahrzeuge um 39 Prozent gestiegen, was zu längeren Stauzeiten und erhöhtem Verkehrsaufkommen führt. Besonders in städtischen Gebieten wie aber auch auf den Nationalstrassen zeigt sich die Situation durch häufige Staus und überlastete Strassen. Diese Entwicklung wird voraussichtlich weiter zunehmen, da die Bevölkerungsdichte und der Individualverkehr weiterhin steigen. Zukünftig ist mit noch mehr Verkehr und längeren Stauzeiten zu rechnen, was die Notwendigkeit innovativer Mobilitätslösungen wie SAVs unterstreicht.
Die vorhandene Strasseninfrastruktur gerät an ihre Grenzen. Wie viel Spielraum bleibt, um das Netz weiter auszubauen?
Der Ausbau der Strasseninfrastruktur in der Schweiz ist stark begrenzt. Dies liegt zum einen an den begrenzten Platzverhältnissen, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, und zum anderen an den häufigen Einsprachen der Bevölkerung gegen neue Bauprojekte. Zudem sind die finanziellen Mittel begrenzt, was den Spielraum für Erweiterungen weiter einschränkt. Aus diesem Grund setzt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) auf alternative Lösungen wie beispielsweise ein Pannenstreifenumnutzungssystem (PUN) oder eine Geschwindigkeitsharmonisierung und Gefahrenwarnung (GHGW). Mit diesen alternativen Lösungen wird versucht die bestehende Infrastruktur möglichst effizient zu betreiben.
Sie haben eine Befragung unter Studierenden zu den SAVs durchgeführt. Diese gelten demnach als Pendler der Zukunft und würden diese Mobilitätslösung in Anspruch nehmen. Wie sieht es mit der Zahlungsbereitschaft dazu aus?
Die Untersuchung ergab, dass zukünftige Pendler in der Schweiz eine generell positive Einstellung gegenüber SAVs haben. Die Zahlungsbereitschaft für SAVs ist im Vergleich zu konventionellen öffentlichen Verkehrsmitteln höher. Dies deutet darauf hin, dass die befragten Studierenden bereit sind, mehr Geld für die Nutzung von SAVs auszugeben, da sie den zusätzlichen Komfort und Nutzen der Technologie schätzen. Trotz der positiven Einstellung und der erhöhten Zahlungsbereitschaft zeigt die Studie, dass es noch weitere Einflussfaktoren gibt, die die tatsächliche Zahlungsbereitschaft beeinflussen könnten. Die erhobene Zahlungsbereitschaft basiert auf hypothetischen Szenarien, was zu Verzerrungen führen kann. Daher ist es wichtig, diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren und in weiteren Studien zu validieren.
Alessandro Oliva weiss nicht zuletzt aufgrund seiner Abschlussarbeit über selbstfahrende führerlose und von mehreren Passagieren genutzten Fahrzeugen, dass Nachhaltigkeit ein zentraler Aspekt bei der Entwicklung neuer Mobilitätslösungen darstellt. (Foto: ZVG)
Und neben den wirtschaftlichen Komponenten sollten der Umsetzung keine grossen Hindernisse im Wege stehen, oder ist das zu einfach gedacht?
Trotz der wirtschaftlichen Anreize gibt es mehrere Hindernisse bei der Umsetzung und Einführung von SAVs. Dazu gehören ethische Fragestellungen, wie die Verantwortung bei Unfällen und die Entscheidungsfindung von autonomen Systemen in kritischen Situationen. Datenschutz ist ein weiteres zentrales Thema, da die Nutzung von SAVs mit der Erhebung und Verarbeitung grosser Mengen persönlicher Daten verbunden ist. Darüber hinaus müssen rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den Einsatz von SAVs zu ermöglichen und sicherzustellen, dass sie sicher und effizient in das bestehende Verkehrssystem integriert werden können. Weiter bestehen auch noch technologische Herausforderungen. SAVs müssen in der Lage sein bei allen Wetterverhältnissen und weiteren denkbaren Situationen autonom und führerlos fahren zu können. Alle genannten Herausforderungen erfordern eine sorgfältige Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren, einschliesslich der Industrie, des öffentlichen Sektors und der Wissenschaft. Daher wird die Einführung von SAVs noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Neben der infrastrukturellen Problematik steht sicherlich auch das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum neuer Lösungsansätze. Was können Sie darüber sagen?
Nachhaltigkeit ist ein zentraler Aspekt bei der Entwicklung neuer Mobilitätslösungen. SAVs und das Konzept von Mobility as a Service (MaaS) bieten die Möglichkeit, nachhaltige und flexible Mobilitätsoptionen zu integrieren. Durch die gemeinsame Nutzung SAVs kann die Anzahl der benötigten Fahrzeuge stark reduziert werden, was zu einer Verringerung der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs führen kann. Zudem könnten SAVs den öffentlichen Verkehr ergänzen und eine effizientere Nutzung der bestehenden Infrastruktur ermöglichen. Dies könnte zu einer besseren Ressourcennutzung und einer geringeren Umweltbelastung beitragen, was im Einklang mit den Zielen der Nachhaltigkeit steht.
Welche Rolle spielen soziale und kulturelle Faktoren bei der Akzeptanz von SAVs in der Schweiz?
Sie spielen eine entscheidende Rolle. Die gesellschaftlichen Normen und Werte beeinflussen stark, wie neue Technologien wahr- und angenommen werden. In der Schweiz gibt es eine hohe Affinität zu Technologie und Innovation, was die Akzeptanz von SAVs positiv beeinflussen könnte. Allerdings gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit, des Datenschutzes und der Zuverlässigkeit autonomer Fahrzeuge. Die Ergebnisse der durchgeführten Studie zeigen, dass die subjektiven Normen in der Gesellschaft einen signifikanten Einfluss auf die Nutzungsabsicht eines SAVs haben. Positive Einstellungen und Empfehlungen von Familie, Freunden und der breiteren Gemeinschaft können die Akzeptanz erheblich fördern. Die Integration von SAVs erfordert daher Öffentlichkeitsarbeit, Bildung und transparente Kommunikation, um das Vertrauen und die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen.