Mathias Blatter 19.11.2024

«Was es braucht, ist Sitzfleisch»

Jürgen Beer wusste schon immer genau, was er wollte – heute mehr denn je. Sein Weg führte ihn von der Ausbildung als Facharzt für Radioonkologie zum Bachelorstudium in Betriebsökonomie an der FFHS. Ein Beispiel dafür, wie sich Beruf und Leben über die Jahre hinweg entwickeln und verändern können.

Aufgewachsen in Niederösterreich, etwa 20 Kilometer südlich von Wien in der Gemeinde Gumpoldskirchen, hatte Jürgen Beer schon immer eine enge Verbindung zur österreichischen Hauptstadt. Er hatte in Wien studiert, danach zog es ihn in die Schweiz: «Wir hatten in Österreich viele Ärzte, aber zu wenig Ausbildungsplätze und ein etwas umständliches Ausbildungssystem.» Der Wechsel in die Schweiz bot ihm eine bessere Möglichkeit, sich zum Facharzt auszubilden. 

Schon in jungen Jahren wollte Beer die Welt sehen, Erfahrungen sammeln und nicht für immer in seiner Heimatstadt bleiben. «Irgendwie ist das Ganze aufgegangen, denn ich bin immer noch hier – und dies sehr glücklich.» Auch privat ist er in der Schweiz angekommen: So sind sowohl seine inzwischen fünfjährige Tochter Aria als auch sein dreijähriger Sohn Aaron am Inselspital in Bern zur Welt gekommen. 

Zwischen Zufriedenheit und Neuorientierung 

Fast zehn Jahre arbeitete Beer als klinisch tätiger Arzt in Schweizer Spitälern. Obwohl er zufrieden war, fing er an sich zu fragen: «Wo sehe ich mich langfristig? Was reizt mich?» Der Gedanke, sich aus der praktischen Medizin zurückzuziehen, wuchs langsam – eine Entscheidung, die alles andere als leichtfertig getroffen wurde. «Bis du einmal praktizierender Facharzt bist, dauert es lange. Man investiert sehr viel, studiert sechs Jahre Medizin und geht danach noch mehrere Jahre in die Spezialisierung», sagt Beer. 

Trotzdem entschied er sich, einen neuen Weg einzuschlagen. Sein Interesse am administrativen Bereich des Spitals und die Frage, wie interne Abläufe hinter den Kulissen gesteuert werden, liessen ihn nicht los. Er begann ein Studium der Betriebsökonomie an der FFHS und wechselte beruflich ins «Medizincontrolling und Health Information Management» des Inselspitals Bern. Der Wechsel war für ihn eine sinnvolle Weiterentwicklung, die es ihm ermöglichte, das Krankenhauswesen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. 

Ein neuer Lebensstil 

Stress und Arbeitszeiten waren für Beer nicht ausschlaggebend für den beruflichen Wechsel, doch er gibt zu: «Mein Lebensstil ist ein anderer geworden.» Als junger Arzt störten ihn die unregelmässigen Arbeitszeiten und Nachtschichten nicht, aber als Vater wurde die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben immer wichtiger. Heute schätzt er die Regelmässigkeit seiner neuen Arbeit. 

Das Studium als Bereicherung 

Auch sein Studium an der FFHS ermöglichte es ihm, Beruf, Familie und Studium unter einen Hut zu bringen. «Die Flexibilität und Selbstgestaltungsmöglichkeiten im Studium waren für mich ganz zentrale Argumente», erklärt er. Da er bereits finanzielle Verpflichtungen hatte und nicht einfach seine Arbeit niederlegen konnte, musste er sein Studium so gestalten, dass es sich mit seinem Berufsleben vereinen liess. Ein herkömmliches Studium an einer Präsenzuniversität wäre keine Option gewesen, weshalb das FFHS-Studienmodell für ihn ideal war. Während des Studiums reduzierte er sein Arbeitspensum auf 80 Prozent, um mehr Zeit für das Selbststudium und private Verpflichtungen zu haben. 

Selbstdisziplin und die Fähigkeit, sich selbstständig Wissen anzueignen, waren für Beer jedoch keine neuen Konzepte: «Schon zu meinen Studienzeiten war ich nie der Typ, der in jeder Vorlesung sass.» Er lernte lieber im eigenen Tempo, in Ruhe, und so war auch das Fernstudium für ihn kein Neuland: «Was es braucht, ist Sitzfleisch», sagt er schmunzelnd. «Man muss sich halt einfach einmal mehr hinsetzen und sich zum Lesen und Studieren verdammen.»

Zukunftspläne und philosophische Interessen 

Neben seinem beruflichen und akademischen Werdegang spielt die Familie heute die Hauptrolle in Beers Leben. Er geniesst es, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, ihre Hobbys zu teilen. 

Beer ist vielseitig interessiert. Er liest gerne, insbesondere auch Sachbücher. Besonders mag er Schriften von Alain de Botton, einem britisch-schweizerischen Schriftsteller, der philosophische Themen auf eine zugängliche Art und Weise beleuchtet. 

Sein Karriereweg ist noch lange nicht zu Ende. Trotz seiner Umorientierung bleibt Jürgen Beer flexibel und offen für neue Herausforderungen. Das Gesundheitssystem allgemein und der Spitalbetrieb im Speziellen bietet abseits einer eigentlichen klinischen Tätigkeit viele spannende Aufgabenbereiche. Wichtig sei für ihn, dass er sich stets treu bleibe und weiterhin die Freiheit geniesse, sein Leben und seine Karriere so zu gestalten, wie es ihm am besten passt. Denn wie er selbst sagt: «Wichtigste Grundvoraussetzung ist, dass man es will – dann fällt einem das Studieren und Arbeiten leicht.»

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