Partizipation im Unternehmen stärken
Erfolgreich Veränderung meistern gelingt nur gemeinsam. Wer dabei Betroffene nachhaltig zu Beteiligten macht, ist auf Erfolgskurs. Diese Partizipation versteht das Betriebliche Gesundheitsmanagement als zentrales Instrument, das zur Erhöhung von Commitment beiträgt. Direkte Partizipation lässt sich in vier Schritten im Unternehmen verankern.
(Quelle You X Ventures – Unsplash)
Die Anforderungen in der modernen, sich stetig verändernden Arbeitswelt sind vielfältig. Sie führen zu physischen und psychischen Belastungen. Im Gegensatz zu früher sind es nicht mehr die körperlichen Belastungen, sondern vielmehr die ständige Erreichbarkeit, das Führen und die Zusammenarbeit über Distanz, der steigende Leistungsdruck und die Emotionsarbeit im Kundenkontakt, die zu psychischen Belastungen führen. Das zeigt auch das gesteigerte Stressempfinden der arbeitenden Bevölkerung. Und dennoch: Arbeit beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit, sondern stellt auch eine Ressource dar, die unsere Gesundheit stärkt – durch soziale Zugehörigkeit, Wertschätzung, finanzielle Sicherheit, Entwicklung, Struktur und Sinnhaftigkeit.
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) fördert Rahmenbedingungen für ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld. Dabei tragen beide, Unternehmen und Mitarbeitende, eine Verantwortung an Erhalt und Entwicklung der Arbeitsfähigkeit. Die aktive Beteiligung beim Gestalten von Arbeitsbedingungen und -aufgaben und von gesundheitsförderlichen Arbeitsstrukturen ist ein zentrales Element der Personalführung. Durch die aktive Einbindung werden Betroffene als Experten für ihre Anliegen und Lösungen angesehen und so zu Beteiligten gemacht. Partizipation im Unternehmen kann auch indirekt über Mitbestimmungsorgane wie Personalkommission, Mitarbeitervertretung und so weiter stattfinden. Die direkte Partizipation trägt jedoch nachweislich stärker zur erhöhten Arbeitszufriedenheit und der Reduktion von Kündigungsgedanken bei.
Musterbrüche herbeiführen
Direkte Partizipation kann zu geänderter Arbeitsplatzgestaltung führen, zu neuen Arbeitsaufgaben und -inhalten und angepasster Arbeitsorganisation. Dabei erzeugt sie nicht selten Musterbrüche, also das Abweichen von jahrelang gehegten Denk- und Handlungsmustern und sorgt unter Umständen für Regelbrüche. Sie strapaziert Regeln, welche in Unternehmen / Organisation als Maxime gelten. Der Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten lässt sich mittels gestärkter Experimentierfreudigkeit und damit verbundenen Musterbrüchen etablieren. Diese ermöglichen Handlungsspielräume, über Prozessveränderungen hinaus Bestehendes neu zu denken. Die folgenden vier Schritte sind dabei besonders wichtig.
Gemeinsam Annahmen treffen
Probleme, die den Arbeitsalltag erschweren, erzeugen bei Mitarbeitenden Ideen und Gedanken, wie man diese lösen könnte. Aus der «Wenn wir nur könnten»-Reaktion lässt sich mittels gemeinsam formulierter Annahmen «Wenn wir A, dann B» formulieren. Voraussetzung, damit diese Annahmen ausprobiert werden können und zur Umsetzung kommen ist ein gemeinsames Verständnis, eine Mut-Kultur. Denn gerade erfolgreiche Unternehmen funktionieren nach Regeln und diese werden eventuell strapaziert. Doch mittels Transparenz und Absprache lassen sich Rahmen finden, die Musterbrüche dennoch zulassen. Diese Leitplanken sind zentral, denn sie bieten Orientierung und schaffen Sicherheit. Ein Beispiel: Arbeitszeitgestaltung durch Schichtpläne, wo telefonische Erreichbarkeit sichergestellt werden muss: «Wenn wir unsere Einteilung im Team koordinieren, dann können wir Erreichbarkeit sicherstellen und sind zufriedener.»
Ausprobieren geht über Studieren
Ausprobieren, etwas benutzen, um seine Brauchbarkeit festzustellen, ist nicht ein planloses Vor-sich-hin-Tüfteln. Bei aller Neugier, ob sich die Verbesserung eines Ablaufes oder gesteigerte Zufriedenheit einstellen, ist eine realistische Dauer für den Testbetrieb, eine regelmässige Kommunikation und Dokumentation des Vorgehens und Sammlung von Erkenntnissen zentral. Nur so lässt sich die Brauchbarkeit auch evaluieren. Ein Beispiel: Ein Team probiert den neuen Modus der Planung aus, kommuniziert die Testphase und hält regelmässig fest, wie sich die Zufriedenheit und die Erreichbarkeit verhalten.
Reflektieren und gemeinsame Ideen schärfen
Das gemeinsame Reflektieren von getroffenen Annahmen und die Überprüfung des Testbetriebes sind ganz besonders wichtig, denn sie helfen, die getroffenen Annahmen zu bestätigen oder zu widerlegen. Sie sorgen für Nachvollziehbarkeit und ermöglichen, durch Anpassungen vermeintliche Fehlversuche doch noch zum Erfolg zu führen. Ein Beispiel dafür wäre folgendes Szenario: Die Messung der Zufriedenheit erfolgt über die Testdauer, die Beteiligten halten Erkenntnisse zum Beispiel an einem MoodBoard fest.
Gemeinsam entscheiden über die Zukunft
Die Krönung des Ausprobierens ist der gemeinsame Entscheid, ob sich Ideen etablieren oder verworfen werden. War der Testbetrieb ein voller Erfolg und lässt er sich sogar auf weitere Teile des Unternehmens ausweiten? Ist das Team noch nicht überzeugt, die passende Veränderung erreicht zu haben? Oder muss man sich eingestehen, dass die Annahme falsch war und sich von ihr verabschieden? Eines ist gewiss, Partizipation bietet Raum zur Weiterentwicklung. Ein Beispiel: Nach Ablauf der definierten Testphase erfolgt eine Auswertung. Wenn das Team nachweislich zufriedener und die Erreichbarkeit sichergestellt ist, dann lohnt sich die Kommunikation umso mehr, denn auch andere Teams könnten dieses Vorgehen anwenden. Die Zufriedenheit nimmt merklich ab? Dann war die Annahme vermutlich falsch, oder das Vorgehen der Planung ist genauer zu bedenken.
Mit Partizipation zu Veränderungsfähigkeit
Eine harmonische Vorstellung an das Ausprobieren von neuen Abläufen zu knüpfen, wäre weit gefehlt. Der Mut zu Veränderung sorgt auch an vielen Orten für Reibung, erzeugt Widerstand und Unsicherheit. Veränderung trifft auch bei transparenter Kommunikation und sorgfältigen Absprachen nicht immer auf Gegenliebe. Die damit verbundene Kritik kann gute Ideen bis zu einem gewissen Grad noch besser machen, wenn sie konstruktiv ist und die Möglichkeit zur Diskussion zulässt. Der Führungsarbeit kommt hier eine zentrale Rolle zu. Sie muss ermöglichen und unterstützen. So fördert sie den Prozess der Veränderung.
(Erstpublikation in der Zeitschrift «kmuRUNDSCHAU, 2/2020»)