01.03.2023

«Es ist nicht einfach, Barrieren beim technologiebasierten Lernen zu überwinden»

Prof. Dr. Christopher Awinia lehrt an der Open University of Tanzania (OUT) Soziologie, Entwicklungsökonomie und internationales Wirtschaftsrecht. Vor kurzem war er zu Gast in der Gleisarena Zürich und spricht im Interview über seine Forschungskooperation mit der FFHS und die Herausforderungen des Bildungswesens in Tansania.

Herr Dr. Christopher Awinia, vielen Dank für die Möglichkeit, Ihnen ein paar Fragen zu stellen! Vorweg, wie hat es Ihnen in der Schweiz gefallen, hatten Sie Zeit, auch die Stadt Zürich etwas zu besichtigen?

Ich hatte leider nicht viel Zeit, um Zürich zu entdecken, aber ich sah ein wenig vom Geschäftsviertel im Zentrum – und ich muss sagen, es ist eine sehr teure Stadt.

Sie lehren als Professor für Soziologie, Entwicklungsökonmie und internationales Wirtschaftsrecht an der Open University of Tanzania (OUT). Welche Kernthemen beschäftigen Sie hauptsächlich?

Ich beschäftige mich mit sehr vielfältigen Themen. Ich habe mich vor allem aber auf integrierte und multisektorale Entwicklungsstudien konzentriert. In letzter Zeit habe ich mich für Projektevaluierung, industrielle Entwicklung, menschliche Entwicklung und Klimawandel interessiert.

Im Rahmen des UNESCO-Lehrstuhls für personalisiertes und adaptives Fernstudium der FFHS haben Sie gemeinsam mit Victoria Mirata, Ernest Godson, Petro Mugandila und Per Bergamin eine Delphi-Studie durchgeführt. Worum ging es dabei? Was waren die zentralen Ziele?

Das Hauptziel der Studie war es, die Herausforderungen des technologiegestützten Lernens an der OUT zu identifizieren, um dessen breite Umsetzung in der Institution zu verbessern. Darüber hinaus konnten wir einige sehr interessante Einblicke zur Wahrscheinlichkeit und der geschätzten Realisierungszeit des adaptiven Lernens am OUT gewinnen. Es war sozusagen ein prognostischer Teil der Studie.

Wie sieht der Unterrichtsalltag an Ihrer Universität aus und wie setzen Sie technologiebasiertes Lernen ein?

Der Unterricht findet hauptsächlich über Moodle statt, wie an der FFHS. Die Technologie wird für die gemeinsame Nutzung von Online-Lehrbüchern mit den Studierenden und für die Diskussion von Vorlesungen über ein Diskussionsforum mit «Threads» verwendet. Moodle wurde in Zoom integriert, wo Live-Video-Vorlesungen angeboten werden.

Welchen Herausforderungen stehen Sie in Tansania insbesondere hinsichtlich des Einsatzes neuer Technologien im Bildungswesen gegenüber?

Eigentlich mehreren. Erstens ist es für Studierende sowie einige Lehrkräfte schwierig, Internetpakete zu kaufen, da die Kosten gestiegen sind. Ausserdem ist die Lese- und Schreibkompetenz vor allem bei den Studierenden gering. Die Qualität der Hardware-Ausrüstung wirkt sich ebenfalls auf die Nutzung von technologiebasiertem Lernen aus. Es ist eine Herausforderung, eine Strategie für die Nutzung von technologiebasiertem Lernen – insbesondere Videokonferenzen – einzuführen, um den offenen Fernunterricht in technologiebasiertes Lernen umzuwandeln.

Welche Lösungen für die bestehenden Probleme stehen Ihnen zur Verfügung und wie werden Sie sie umsetzen?

Internetkosten sind ein politisches Thema, das den privaten Sektor betrifft. Die Einführung der 5G-Technologie bietet vielversprechende Möglichkeiten zur Senkung dieser Kosten sowie der Geschwindigkeitsherausforderungen. Eine stärkere Orientierung der Studierenden hinsichtlich IT-Nutzung wird dazu beitragen, das Problem der Alphabetisierung zu verringern. Für die Hochschulpolitik ist es wichtig, technologiebasiertes Lernen als eine Möglichkeit zu sehen, von einer konventionellen Art der Ausbildung zu einer Struktur des technologiebasierten Lernens überzugehen ohne traditionelle Formen ganz zu vergessen.

Inwiefern helfen die konkreten Ergebnisse der Delphi-Studie «The Future of Technology-based learning at the Open University of Tanzania», und wie werden sie weiterverfolgt?

Nun, die Studie hat uns die wichtigsten Hindernisse und Herausforderungen aufgezeigt, mit denen die OUT heute beim technologiegestützten Lernen konfrontiert ist, und uns Einblicke in das Potenzial des adaptiven Lernens in der Zukunft gegeben. Leider sind die technologischen Herausforderungen immer noch ein grosses Hindernis für einen effektiven Fernunterricht an der OUT, genau wie bei anderen afrikanischen Universitäten. Aber wir geben nicht auf! Wir wissen, dass die nationalen Regierungen und Entwicklungspartner eine wichtige Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen spielen müssen. Deshalb planen wir einige Workshops mit Entscheidungsträgern aus dem privaten Sektor und dem Bildungswesen, um wirksame Strategien zur Bewältigung der in der Studie festgestellten Herausforderungen zu entwickeln. Wir glauben, dass der Austausch unserer Ergebnisse mit politischen Entscheidungsträgern im Hochschulbereich den Weg für dringend benötigte Reformen beim technologiegestützten Lernen ebnen wird.
Zur Bewältigung der pädagogischen Herausforderungen – wie z. B. der Notwendigkeit, unsere Lehrpläne neu zu gestalten – intensivieren wir die Zusammenarbeit zwischen den beiden UNESCO-Lehrstühlen: dem UNESCO-Lehrstuhl für personalisierte und adaptive Fernlehre der FFHS und dem UNESCO-Lehrstuhl für Lehrerbildung und Lehrpläne der OUT.