Der Hochschulcampus in Brig: Wie nachhaltig ist das hochmoderne Gebäude?
Seit rund zwei Jahren ist der neue Hochschulcampus in Brig in Betrieb. Der Hauptsitz der FFHS ist nicht nur architektonisch ein bemerkenswertes Bauwerk. Auch die Gebäudetechnik wartet mit einigen Besonderheiten in punkto Nachhaltigkeit auf. Was aber kann das Gebäude und wie funktionieren die nachhaltigen Technologien?
Die Luftaufnahme erlaubt einen guten Blick auf die Photovoltaikanlage und die besondere Fassade des Campus-Gebäude in Brig. Hier noch vor der Inbetriebnahme und ohne Begrünung auf dem Dach. (Foto: Alain Amherd)
Im Briger Rhonesandquartier steht das 2022 eingeweihte Campus-Gebäude, in dem vor allem die Verwaltungen der beiden Institutionen FFHS und FernUni Schweiz untergebracht sind. Insgesamt sind etwa 165 Arbeitsplätze auf sechs Stockwerken besetzt, es hat verschiedene Unterrichts- respektive Eventräume zur Verfügung sowie mehrere Forschungslabore im Untergeschoss – und eine moderne Einstellhalle für Fahrzeuge.
Minergie gibt Nachhaltigkeit vor
Das Gebäude wurde nach dem Minergie-Standard erstellt, kann aber optional noch ergänzt werden. Minergie-Gebäude zeichnen sich durch überdurchschnittliche Qualitäten aus, namentlich in den Bereichen Nutzerkomfort, thermische Behaglichkeit im Winter wie im Sommer, geringer Energiebedarf, Nutzung erneuerbarer Energien, Eigenstromproduktion und Werterhaltung.
Die baulichen Minergie-Primäranforderungen an die Gebäudehülle wurden mit den gewählten Dämmstärken und der gesamten Verglasung erfüllt. Die innovative Glasfassade ist technisch und architektonisch das Prunkstück des Gebäudes. Sie ist als Zwei-Schichtfassade mit Sonnenschutz im Zwischenraum konzipiert. Wind und Wetter sollen keine negativen Einflüsse auf die Dämm- und Schutzeigenschaften der Fassade haben. Sie ist besonders nachhaltig und verursacht nur geringen Unterhalt. Für die Belüftung der Fassade ist ein Konzept mit einem geschlossenen Kreislauf umgesetzt worden. Dabei wird die Luft über ein einfaches Erdregister vor der Tiefgaragenwand eingeführt.
Lüftung, Heizung und Kühlung – All in one
In der Technikzentrale steht ein grosser Lüftungsmonoblock für das Hauptgebäude und ein kleinerer für die Forschungsräume im Untergeschoss. Sie filtern die eingesaugte Aussenluft und wärmen resp. kühlen sie durch die Rückgewinnung aus der Abluft vor. Auch die Abluft wird im Lüftungsgerät gefiltert. Die erzeugte Wärme oder Kälte wird über ein Kanalnetz im Gebäude verteilt.
Die Wärmeerzeugung erfolgt mittels zwei gleich grossen, leistungsregulierten Wärmepumpen. Die beiden Wärmepumpen reichen aus, um selbst die notwendige Heizenergie für das Hauptgebäude und einen allfällig zukünftigen Erweiterungsbau zu erzeugen.
Das Wasser aus dem sogenannten Anergienetz kann direkt zur Raumkühlung verwendet werden. Laut dem Technischen Objektleiter, Markus Ackermann, schneidet die Kühlung mit Grundwasser in punkto Energieeffizienz am besten ab, weil keine zusätzliche Energie für die Kälteproduktion eingesetzt werden muss. Für die Verteilung der Heiz- und Kühl-Gruppen ist jeweils ein separater Verteiler in der Haustechnikzentrale installiert.
Wie funktioniert das Anergiesystem?
Der Campus ist zudem ins Anergienetz Brig-Glis eingebunden. Dieses wird mit Energie aus Abwärme von Grundwasser gespiesen, und ermöglicht eine effiziente Nutzung der Wärme des Grundwassers. Wie die Wärmegewinnung aus dem Grundwasser genau funktioniert, wird in folgendem Film erklärt:
Das grüne Dach und seine Wirkung
Auf dem Dach des Hochschulcampus steht eine Photovoltaik-Anlage mit einer Panelfläche von 218 Quadratmetern. Man schätzt die durchschnittlich zu erwartende Jahresproduktion auf 49'930 Kilowattstunden. Nach den ersten zwei Betriebsjahren konnte tatsächlich in etwa diese berechnete Leistung erreicht werden. Diese hauseigene Stromproduktion via Solarpanels entspricht etwas mehr als einem Viertel des jährlichen Stromverbrauchs des Gesamtkomplexes. Die restliche Stromversorgung bezieht man über externe Anbieter.
Auf dem Dach wurde zudem eine Begrünung angelegt, «roof gardening» genannt, die vor allem der Absorption von Hitze im Sommer dient. So wird das Gebäude zusätzlich vor Hitzeeinfluss geschützt und benötigt deswegen weniger Energie zum Kühlen. Ackermann betont: «Ausserdem fördern wir mit einer extensiven Dachbegrünung die Artenvielfalt. Die Pflanzen binden Feinstaub aus der Luft und Dachbegrünungen sind ein guter Zwischenspeicher für ablaufendes Regenwasser. Eine Dachbegrünung wirkt eben auch als natürliche Klimaanlage».
Facts & Figures – konkreter erst in ein paar Jahren
Zur Verbildlichung ein paar Zahlen zur CO2-Ersparnis des Gebäudes: Seit Inbetriebnahme bis Ende März 2024 wurde in etwa so viel CO2 eingespart, wie ein Auto auf 110‘000 Kilometer ausstossen würde! Oder anders gesagt, wurde die Leistung von ca. 690 Bäumen übernommen. Seit Anfang an wurden über 6000 Franken an Energiekosten gespart – rund 300 Franken pro Monat.
Bild: Fronius International GmbH
Markus Ackermann zeigt sich vom grundsätzlichen Konzept und den laufend ausgewerteten Ergebnissen überzeugt. Er unterstreicht jedoch auch die Bedeutung, dass «die wahren Werte erst nach einigen Jahren aussagekräftig werden, wenn sich der ganze Prozess eingespielt hat.» Er ergänzt, dass sich die nachhaltige Installation und die damit verbundenen zusätzlichen Kosten erst über einen längeren Zeitraum amortisiert würden. Dieses Investment wurde also nicht aus rein monetären Motiven getätigt, sondern vielmehr bekennt sich die FFHS zu ihrer langfristigen Verpflichtung gegenüber der Umwelt.
Gebäude wird überwacht und kontrolliert
Die ganzen IST-Zustände und Daten werden über eine Gebäudeautomation überwacht. Markus Ackermann hat über eine Computerverbindung immer Zugriff auf das System. Etwelche Störungen und Alarme werden hier angezeigt, können quittiert und zum Teil auch zurückgesetzt werden. Er zeigt sich sehr zufrieden mit den bisherigen Erfahrungen:
«Die erwarteten Nachhaltigkeitseffekte konnten bereits an vielen Stellen nachgewiesen werden und bestätigen die Effizienz der Investitionen in dieses nachhaltige Gebäudekonzept. Die kontinuierliche Überwachung ermöglicht es uns, den Betrieb des Gebäudes optimal anzupassen und potenzielle Einsparungen zu identifizieren. Dies ist ein wichtiger Schritt auf unserem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft. Wir hoffen, dass dieses wegweisende Projekt Nachahmer findet und als inspirierendes Beispiel für andere Institutionen dient, die ebenfalls den Wandel zu einer nachhaltigeren Welt vorantreiben möchten».