21.03.2025

Schweizer Landwirtschaftsbetriebe agieren nachhaltig

Auf welche Weise können Landwirte zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung beitragen? Dieser zentralen Frage ging Vanessa Guffanti, Absolventin des BSc Ernährung und Diätetik, in ihrer Diplomarbeit nach. Im Interview erzählt sie von ihren Untersuchungsergebnissen und Einschätzungen – unter anderem zur Ernährungszukunft Schweiz.

Frau Guffanti, welche Rolle spielt die Landwirtschaft im Kontext des Klimawandels?
Die Landwirtschaft ist sowohl Verursacherin als auch Betroffene des Klimawandels. Rund 30 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen durch die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert, verarbeitet, verpackt, verteilt und konsumiert werden. Zirka ein Viertel davon fällt auf die Landwirtschaft an. Der Klimawandel führt bereits zu steigenden Temperaturen, Extremwetter und Ressourcenknappheit, während die wachsende Weltbevölkerung die Nachfrage nach Nahrungsmitteln erhöht. Diese Herausforderungen haben direkte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit. Die Schweiz verfolgt Nachhaltigkeitsziele, jedoch geschieht die Umsetzung zu langsam. Um ein nachhaltigeres Ernährungssystem zu erreichen, sind ganzheitliche politische Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette notwendig – Landwirte müssen in den Transformationsprozess einbezogen werden.

Sie haben verschiedene Landwirtinnen und Landwirte befragt. Was sind ihre Herausforderungen in der Umstellung auf nachhaltigere Praktiken?
Landwirte mit Kühen stehen vor Herausforderungen in der Tierhaltung. Besonders problematisch ist die ausreichende Futterproduktion, die durch Extremwetter erschwert wird. Weitere Schwierigkeiten sind die hohe Arbeitsintensität, steigende Unterhaltskosten, der Flächenbedarf und die kontinuierlich steigende Produktion von Fleisch sowie artgerechter Haltung. Alle Befragten berichteten auch von Herausforderungen im Pflanzenanbau, besonders durch Extremwetterereignisse, die Planung und Ernte erschweren. Zudem stellt die Sicherstellung eines hohen Selbstversorgungsgrades eine zentrale Herausforderung dar sowie die steigende Nachfrage nach günstigeren Bio-Produkten. Auch die Organisation eines gemeinsamen Verkaufs, die Abhängigkeit von Labels und Programmen sowie das fehlende Mitspracherecht im Handel sind schwierig. Zudem wurde die fehlende Wertschätzung der Konsumenten für nachhaltig produzierte Erzeugnisse mehrfach thematisiert.

Was tun die Landwirte aktuell bereits, um nachhaltig zu produzieren?
Die Nachhaltigkeit eines Betriebs hängt von seinen Merkmalen ab, insbesondere von der Tierhaltung, dem Pflanzenanbau und den verwendeten Labels (z. B. IP-Suisse, Bio Suisse, konventionell). In der Schweiz steigt die Zahl der Bio-Betriebe, mittlerweile arbeitet jeder sechste Betrieb biologisch. Alle untersuchten Betriebe setzen bereits nachhaltige Praktiken wie die Reduktion von Pestiziden um. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLV) fördert den biologischen Landbau und plant, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2027 um 50 Prozent zu senken. Nicht immer ist ein vollständiger Verzicht auf Pestizide möglich, da steigende Temperaturen Schädlinge begünstigen und Ertragsverluste erhöhen. Nachhaltige Massnahmen umfassen zudem die Verwendung von Grünfutter für die Kühe und die selbstversorgende Produktion von Tierfutter, wodurch Biomasse und Nährstoffe ins Lebensmittelsystem zurückgeführt werden. Auch eine schonende Bodenbearbeitung wird praktiziert, etwa durch leichtere Traktoren und durch die Tritte der Tiere. Ein gemeinsames Merkmal ist auch die Gründüngung durch das Anbauen von Pflanzen allein.

Wie beeinflusst die Tierhaltung den Nährstoffkreislauf in landwirtschaftlichen Betrieben und welche Alternativen könnten zur Nachhaltigkeit beitragen?
Die Tierhaltung spielt eine zentrale Rolle im Nährstoffkreislauf landwirtschaftlicher Betriebe, da Mist und Gülle als Dünger wichtige Nährstoffe zurück in den Boden bringen und das Pflanzenwachstum fördern. Weidetiere verbessern zudem die Bodenstruktur und -fruchtbarkeit. Jedoch kann intensive Tierhaltung zu Überdüngung führen, was zu Nährstoffverlusten in die Luft und Gewässer sowie zur Verschlechterung der Bodenqualität führt. Eine ökologischere Tierhaltung ist daher essenziell. Derzeit werden mehr als die Hälfte der Ackerflächen für Futtermittel genutzt. Würde ein Teil davon für den direkten Lebensmittelanbau verwendet, könnte der Selbstversorgungsgrad erhöht werden.

Was motiviert Landwirte, nachhaltigere Anbaumethoden zu übernehmen?
Naja, hauptsächlich kann man sagen, dass die Umweltziele in der Schweiz vor allem mit Direktzahlungen und Subventionen motiviert werden. Die Landwirte sind gewillt den biologischen Landbau weiter zu fördern und sehen es als Chancen für eine zukunftssichere Landwirtschaft – insbesondere zur Stärkung der Selbstversorgung und dem Erhalt der Natur.

Welche Möglichkeiten sehen Landwirte in der Anpassung von Kulturpflanzen an veränderte klimatische Bedingungen?
Die schonende Bodenbearbeitung und eine kontinuierliche Bodenbedeckung tragen entscheidend zum Nährstofferhalt und Wasserspeicherung bei. Zudem soll die Nutzung klimaresistenter Kulturpflanzen langfristig die Bodenfruchtbarkeit erhalten und Ertragsverluste minimieren.

Wie blickt die Politik auf die Rolle der Landwirte in der Transformation des Ernährungssystems?
Ich habe bewusst darauf verzichtet politische Einstellungen, Massnahmen oder Strategien in den Fokus zu rücken, um eine möglichst offene und praxisnahe Beantwortung zu ermöglichen. Generell zeigen die Ergebnisse aber, dass politische Akteure von den Landwirten eine stärkere Ausrichtung an die Nachhaltigkeitsziele fordern.Die Teilnehmenden betonen jedoch die Notwendigkeit einer besseren Unterstützung, insbesondere in den Berufsschulen sowie einer besseren Aufklärung der Bevölkerung.

Wie wichtig ist diese Aufklärung und wie kann die Landwirtschaft dazu beitragen?
Sie ist entscheidend, um ein bewussteres Konsumverhalten zu fördern und langfristig eine umweltfreundlichere Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Eine informierte Gesellschaft kann durch ihre Kaufentscheidungen ein nachhaltiges Ernährungssystem stärken. Dazu könnte die Landwirtschaft näher an Konsumenten gebracht werden, etwa via mehr Transparenz durch Hofbesuche in den Schulen, Direktvermarktung, informative Produktkennzeichnung und den Austausch über soziale Medien.

Welche weiteren Untersuchungen sind notwendig, um die Transformation des Ernährungssystems in anderen Regionen der Schweiz (z.B. Alpen, Weinregionen) voranzutreiben?
Sicherlich eine breitere Befragung der Landwirte. Besonders wichtig wäre hierbei die Untersuchung der Alpen- und Weinregionen, da sie unterschiedlichen klimatischen Bedingungen unterliegen und entsprechend angepasste Praktiken anwenden. Auch wäre wichtig zu wissen, inwieweit die Lehrpläne in den Berufsschulen im Einklang mit den neuen Zielen in der Landwirtschaft angepasst wurden. Weiter könnte auf speziell angewandte Technologien und finanzielle Unterstützung auf den jeweiligen Bauernhöfen eingegangen werden. Zudem darf nicht vergessen werden, dass politische Entscheidungen die weitere Entwicklung in der Landwirtschaft beeinflussen.

Vanessa Guffanti schloss 2024 ihren Bachelor of Science Ernährung und Diätetik an der FFHS mit einer qualitativen Studie ab, die den Titel «Ernährungszukunft Schweiz – auf welche Weise können Landwirtinnen und Landwirte zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung beitragen?» trägt.

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