13.11.2024

«Transplantationspatienten wünschen sich mehr Unterstützung»

Organspenden werden bisweilen sehr kontrovers diskutiert, sind im Alltag oft tabuisiert. Aber nicht nur das Spenden und Transplantieren von Organen an sich ist ein sehr sensibles Thema, auch was nach einer Transplantation passiert, ist weitestgehend unbekannt in der Gesellschaft. Was besonders Nierentransplantationspatienten nach der Operation benötigen, hat Franziska Almer in ihrer Masterthesis im MAS Gesundheitsförderung untersucht.

Franziska, wie bist du auf die Thematik deiner Masterthesis gekommen?
Ich bin ursprünglich Ernährungsberaterin und arbeite auf diesem Beruf nach wie vor zu einem Teil. Ich bin mit Herzblut für Dialysepatienten zuständig. Dank meiner bisherigen Tätigkeit und insbesondere aufgrund des Studiengangs MAS Gesundheitsförderung und Prävention an der FFHS habe ich eine Patientengruppe entdeckt, die eigentlich von einer gezielten Gesundheitsförderung profitieren würde und sollte. Ich hatte vor meinen Untersuchungen den Verdacht, dass besonders Dialysepatienten nach deren Nierentransplantation viel zu früh auf sich allein gestellt bleiben.

Wie ist das zu verstehen?
Die Dialysepatienten sind nach der Transplantation schnell einmal aus den Praxen und Spitälern wieder weg und werden sich selbst überlassen. Das heisst, ich verliere sie praktisch aus den Augen – obwohl eigentlich längerfristig wichtig wäre, die Ernährungsberatung für diese Gruppe weiterzuverfolgen und nicht nur zum Zeitpunkt der Operation herum für sie da zu sein. Transplantationspatienten benötigen längerfristigere Ernährungsberatung und -betreuung, um die Erfolgschancen möglichst hochzuhalten.

Was hast du in deiner Masterthesis untersucht?
Es ging um die Erfassung der Bedürfnisse sowie des Stellenwertes von gesundheitsförderlichen Interventionen bei Patienten nach Nierentransplantationen. Zudem habe ich Behandlungskonzepte verglichen. Personen nach einer Nierentransplantation haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Ich hatte angenommen, dass der nachhaltige Einsatz von gesundheitsförderlichen Massnahmen, aufgrund der insgesamt komplexen Situation dieser Betroffenen, noch verbesserungswürdig ist. Ziel meiner Arbeit war es, die Bedürfnisse Betroffener mit der jeweils ausgeübten Praxis in den vier Transplantationszentren der Deutschschweiz zu vergleichen und Verbesserungsbedarf aufzuzeigen. Das Potenzial von Ernährung, Bewegung, Rauchstopp und risikoarmem Alkoholkonsum, um das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu verringern, ist bekannt und für Personen nach Nierentransplantation von grossem Nutzen – besonders aber detaillierter und individueller.

Was hast du konkret herausgefunden?
Die Behandlung der Patienten fokussiert im ersten Jahr nach der Nierentransplantation auf die Medikation und Prävention von Abstossungsreaktionen. Die Themen Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit werden aus Sicht der Studienteilnehmenden zu wenig und zu keinem geeigneten Zeitpunkt thematisiert. Es fehlen zudem spezifische Hinweise in Bezug auf die Risikoreduktion für kardiovaskuläre Erkrankungen, wie beispielsweise die Empfehlung für eine mediterrane Ernährung oder konkrete Angaben für körperliche Aktivität. Die Teilnehmenden haben alle ein Bewusstsein für eine ausgewogene Ernährung und die Wichtigkeit einer ausreichenden Bewegung, sind sich jedoch nicht bewusst, dass sie durch diese Massnahmen einen Profit in Bezug auf ihre Herzkreislaufsituation erfahren.

Welche Empfehlungen kannst du aufgrund deiner Arbeit abgeben?
Die Behandlungs- und Informationsinhalte, der Zeitpunkt der Information sowie der Einbezug von weiteren Fachleuten, nebst Ärzten und Pflegefachpersonen, sollte evaluiert werden. In zusätzlichen Untersuchungen könnten spezifische Angebote weiter untersucht werden, um auch in Bezug auf Zeitpunkt und Häufigkeit weiterer Betreuungsangebote eine bessere Aussage machen zu können. Die Teilnehmenden meiner Befragung weisen eine überdurchschnittlich hohe Gesundheitskompetenz auf und sind nicht repräsentativ für die Gesamtpopulation nach Nierentransplantationen.

Hast du denn konkrete Vorschläge, wie zusätzliche Behandlungsformen oder Beratungen realisiert werden könnten?
Ja, konkrete Angebote im Langzeitverlauf wären etwa regelmässige Ernährungsberatungen, die einzeln oder in Gruppen stattfinden, ein verstärkter Peer-Austausch, das heisst Betroffene tauschen sich untereinander aus, aber auch der Einsatz von sogenannten Case Managern, die Einzelfälle begleiten und individuell beraten, wäre ein Ansatz Angebote im Bewegungsbereich und psychologische Betreuung scheinen sinnvoll und erwünscht. Teilweise sind diese Angebote über die Grundversicherung der Krankenkassen finanzierbar. Die Teilnehmenden der Studie haben zudem signalisiert, dass sie auch bereit wären für spezifische Angebote etwas zusätzlich zu bezahlen.

Wie werden Patienten nach einer Nierentransplantation über Gesundheitsförderung, insbesondere Ernährung, informiert?
Nach einer Nierentransplantation erhalten Patienten Informationen zum gesunden Lebensstil, die oft schriftlich bereitgestellt und teilweise individualisiert sind. Der Fokus liegt dabei auf einer allgemein ausgewogenen Ernährung, die Fertigprodukte vermeidet, jedoch fehlt häufig der spezifische Schwerpunkt auf herzgesunde, mediterrane oder salzreduzierte Kost. In mündlichen Beratungen werden Ernährung und Bewegung seltener thematisiert, und viele Patienten erinnern sich nicht detailliert an die erhaltenen Ratschläge. Besonders in der frühen Phase nach der Transplantation, wenn der Genuss von Lebensmitteln im Vordergrund steht, sind viele Patienten nicht bereit für eine Ernährungsumstellung. Dies führt dazu, dass wichtige Themen wie die Reduktion kardiovaskulärer Risiken oft nicht ausreichend behandelt werden. Zudem kann die allgemeine Ernährungsberatung überfordernd sein, da sie nicht immer auf individuelle Bedürfnisse eingeht, was den Einbezug von Ernährungsfachpersonen sinnvoll macht, vor allem bei komplexen Krankheitsbildern.

Welche Themen sind Patienten nach Nierentransplantationen wichtig und wo wünschen sie mehr Unterstützung?
Diese Patienten betonen, dass Themen wie gesunde Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit für sie besonders wichtig sind. Sie wünschen sich mehr Unterstützung, vor allem bei der Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren, da diese nicht ausreichend angesprochen werden. In Bezug auf die mentale Gesundheit wird deutlich, dass etwa psychologische Betreuung stärker gefördert werden sollte. Auch Bewegungstherapien und Gruppenaktivitäten werden als hilfreiche Massnahmen gesehen, die jedoch oft fehlen. Insgesamt wünschen sich die Betroffenen eine intensivere, zielgerichtete Betreuung, die über die anfänglich hauptsächlich medizinisch ausgerichtete Betreuung hinausgeht.

Autorin der Masterthesis und FFHS-Dozentin